Freitag, April 19, 2024

Inflamm-Aging – Alter und Entzündung

Inflamm-Aging beschreibt die Tatsache, dass das Immunsystem im Verlauf eines normalen Alterungsprozesses mehr entzündungsfördernde Botenstoffe freisetzt.

Der Begriff Inflamm-Aging setzt sich aus den englischen Wörtern für Entzündung – inflammation – und Altern – ageing – zusammen. Der italienische Immunologe Claudio Franceschi hat bereits im Jahr 2000 von Inflamm-Aging gesprochen und beschrieb damit die heute allgemein anerkannte Tatsache, dass das Immunsystem im Verlauf seines normalen Alterungsprozesses immer mehr entzündungsfördernde Botenstoffe freisetzt.

Alterung ist ein Phänomen fast aller Spezies. Ausnahmen sind gewisse Hydra- und Anemonenformen, die wohl ewig leben können. Bei den Säugern ist es der Nacktmull, der in gewissen Regionen in Afrika unter der Erde existiert, der sehr lange lebt und kaum altert, keine malignen Tumoren kriegt und verlorene Gliedmaßen funktionell sehr gut kompensieren kann. Es ist das einzige Säugetier, das wie Insekten in einem Staat organisiert ist, mit einer Königin an der Spitze. Die Tiere leben unter der Erde, haben praktisch keinen evolutionären Stress und enorme Abwehrstrategien gegenüber Infekten.

 

Abwehrstrategien: Inflamm-Aging signifikant selbst beeinflussen

Hingegen scheint Altern bei Menschen sehr viel mit niederschwelligen Entzündungsphänomenen zu tun zu haben. Deswegen wählte Franceschi dafür den Begriff Inflamm-Aging. So nimmt etwa die Aktivität der adaptiven, also gegen spezifische Krankheitserreger gerichteten Immunabwehr ab, die der unspezifischeren, angeborenen Immunabwehr dagegen zu. In der Folge werden vermehrt Botenstoffe wie Prostaglandin E2, Interleukin-6, Interferon-gamma und TNF-alpha produziert, die für Entzündungen typisch sind. Dieser proinflammatorische Botenstoff-Mix wiederum fördert die Bildung freier Radikale – aggressiver Sauerstoffverbindungen, die prinzipiell jedes Gewebe schädigen können.

In der Altersmedizin wird vor allem das Interleukin-6 (IL-6) sowie der Tumor-Necrosis Factor alpha (TNF-alpha) untersucht. Typische Alterskrankheiten, deren Entstehung mit Inflamm-Aging in Verbindung gebracht wird, sind neben der Alzheimer-Demenz auch Osteoporose, Arteriosklerose, Arthritis oder Diabetes. Wenn man nun übergeordnet schaut, was Langlebigkeit ausmacht, so sind dies bei Menschen

  • regelmäßige Bewegung,
  • ausgewogene Ernährung sowie
  • Sozialkontakte.

Mehr körperliche Aktivität, ein Anpassen der Ernährung hin zu mehr antioxidativen Nahrungsmitteln („mediterrane Diät“) sowie das Pflegen von Sozialkontakten können die Entzündungsphänomene reduzieren.

Referenzen:

1) Franceschi C et al. Immunobiography and the heterogeneity of immune responses in the elderly: a focus on inflammaging and trained immunity. Front Immunol 2017; Aug 15; 8: 982

2) Sieber CC. „Inflammaging“– aging as a consequence of inflammation. Dtsch Med Wschr 2016; 141: 750

3) Franceschi C et al. Chronic inflammation (inflammaging) and its potential contribution to ageassociated diseases. J Gerontol A Biol Sci Med Sci 2014; Suppl 1: S4−S9


Quelle:

Statement » Inflamm-Aging – ist das Alter eine Entzündung? « von Professor Dr. med. Cornel C. Sieber, Vorsitzender der DGIM 2017/2018, Chefarzt der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Geriatrie am Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg, Direktor Institut für Biomedizin des Alterns, Universität Erlangen-Nürnberg beim124. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e. V.

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