Freitag, April 26, 2024

Hepatitis-E-Infektionen in den Blickpunkt

Wenngleich Hepatitis-C aufgrund neuer Therapien die größte Aufmerksamkeit erregt, soll an die Bedeutung von Hepatitis-E erinnert werden.

Die Bedeutung von Hepatitis-E ist durchaus beachtenswert. Immerhin kommt es jährlich weltweit zu geschätzten 20 Millionen Hepatitis-E-Infektionen, die zu etwa 3,3 Millionen akuten Hepatitiden sowie 56.000 Todesfällen führen. (WHO Fact sheet Nr. 280, 2014). Fulminante Hepatitiden mit akutem Leberversagen sind zwar selten, das Risiko steigt jedoch bei Infektionen in der Schwangerschaft (Letalitätsrate bis 20%!) oder bei vorgeschädigter Leber (siehe auch VEI 19/08, 23/10, 19/11, 10/12).

Erreger der Hepatitis-E ist das Hepatitis-E-Virus (HEV), ein unbehülltes Einzel(+)- Strang-RNA-Virus, das der Familie der Hepeviridae angehört und erst Anfang der 1980er-Jahre entdeckt wurde. Das Hepatitis E-Virus kommt weltweit vor, dabei werden 4 humanpathogene Genotypen unterschieden: Genotyp 1 kommt in Asien und Nordafrika, Genotyp 2 in Mexiko vor. Das Reservoir für diese beiden Genotypen ist der Mensch, die Übertragung erfolgt fäko-oral beziehungsweise über fäkal kontaminiertes Wasser. Zu Epidemien kommt es daher typischerweise in Gegenden mit schlechten hygienischen Verhältnissen, insbesondere auf dem indischen Subkontinent oder in Afrika, z.B. nach Überschwemmungen.

Der Genotyp 3 wird in den USA und Europa, Genotyp 4 in China und Taiwan gefunden, und anders als bei den beiden erstgenannten Genotypen handelt es sich bei dieser Infektion um eine Zoonose. Das Reservoir bilden Wild- und Hausschweine, aber auch Rotwild und Nager. Die Übertragung vom Tier auf den Menschen erfolgt vor allem durch den Genuss von nicht ausreichend (<70°C) erhitztem Fleisch oder Fleischprodukten. Alle 4 Genotypen können zudem über Bluttransfusionen, Organtransplantationen oder vertikal auf den Fetus übertragen werden.

Genotyp-1- und 2-Infektionen sind in Europa typischerweise Reisekrankheiten. Allerdings gibt es immer mehr autochthone Hepatitis-E-Virus-Infektion-Fälle, die auf eine Infektion mit dem bei uns heimischen Genotyp 3 zurückzuführen sind. Dabei unterscheidet sich diese Genotyp-3-Infektion nicht nur durch den Übertragungsweg, sondern es fällt auch auf, dass die Patienten mit autochthoner Hepatitis-E-Virus-Infektion im Schnitt älter sind.

Laut Robert-Koch-Institut lag die Anzahl an Hepatitis-E-Fällen in Deutschland im Jahr 2013 bei 459, was einer Zunahme um etwa 18% gegenüber dem Jahr davor entspricht. Die Seroprävalenz (= Nachweis einer stattgehabten Hepatitis-E-Virus-Infektion auf Grund von spezifischen Antikörpern im Blut) beträgt bei Erwachsenen in Deutschland laut einer Studie aus dem Jahr 2012 16,8%. Sie steigt mit zunehmendem Lebensalter an, ist jedoch unabhängig von Geschlecht oder Wohnort (Faber et al., Emerg Infect Dis 2012).

Ähnlich scheint die Durchseuchung in Österreich zu sein: In einer 2014 publizierten Studie, bei der knapp 1.000 Erwachsene untersucht wurden, die sich für den Militärdienst im Ausland bewarben, wurde eine Seroprävalenz von 14,3% beobachtet, die ebenfalls mit dem Alter zunahm und signifikant höher war bei Personen mit vorangegangenen Militäreinsätzen im Ausland (Lagler et al., PLoS One 2014). In den USA hingegen wurde – einigermaßen überraschend – eine Seroprävalenz von nur 6% gefunden (Daten von ca. 8.800 Personen älter als 6 Jahre aus dem National Health and Nutrition Evaluation Survey 2009/10), gegenüber einem Vergleichswert von 21% aus den Jahren 1988-1994. Die Studienautoren halten Testungenauigkeiten (falsch positive Ergebnisse) bei den älteren Resultaten für eine mögliche Erklärung dieser auffälligen Differenz (Ditah et al., Hepatology 2014). Der Großteil der Hepatitis-E-Virus-Infektionen verläuft subklinisch oder zeigt nur ganz milde, anikterische Verläufe, insbesondere bei Kindern.

Klinisch gleicht eine akute Hepatitis-E (die Inkubationszeit beträgt 3-8 Wochen) anderen akuten Virushepatitiden, daher ist eine serologische Abklärung unerlässlich. Bei immunkompetenten Personen heilt die Hepatitis-E aus und hinterlässt eine Immunität. Anders ist die Situation bei HEV-infizierten Immunsupprimierten (z.B. Transplant-, AIDS- oder Lymphompatienten), da es in diesen Fällen auf Grund einer fehlenden bzw. zu geringen HEV-spezifischen T Zellantwort zu chronischen Verläufen, kommen kann (siehe auch VEI 10/2012). Zu dieser Thematik liegen inzwischen zahlreiche Studien vor.

So konnte etwa in einer retrospektiven Studie gezeigt werden, dass bei Organtransplant-Empfängern, die sich mit dem Hepatitis-E-Virus infizieren, die Erkrankung in 60% einen chronischen Verlauf nimmt (Kamar et al., Gastroenterology 2011). Häufig wird die chronische Hepatitis-E (CHE) nicht gleich bemerkt, da sie zunächst asymptomatisch verläuft oder nur mit einer sehr milden Symptomatik (leichten TransaminasenErhöhungen) einhergeht. Dennoch kann es sehr rasch zur Entwicklung einer Leberzirrhose und akutem Leberversagen kommen. Zudem wurden auch extrahepatische klinische Manifestationen bei der chronischen Hepatitis-E beobachtet, vor allem neurologischer Natur wie z.B. eine Assoziation mit dem Guillain-Barré-Syndrom. Aber auch rheumatologische Symptome, Arthralgien, Exanthem, Glomerulonephritis und Purpura Schönlein-Hennoch wurden beschrieben, wahrscheinlich bedingt durch autoimmunologische Phänomene. Neu ist, dass es wie bei der chronischen Hepatitis-C auch zur Entwicklung einer Kryoglobulinämie kommen kann (Pischke et al., Lancet, Correspondence, 2014).

Die akute Hepatitis-E wird serologisch durch den Nachweis spezifischer IgM- und IgG-Antikörper, sowie den Virusnachweis in Serum und/oder Stuhl mittels PCR diagnostiziert. Was die Diagnose der chronischen Hepatitis-E unter Immunsuppression betrifft, ist es zunächst einmal wichtig, bei Abwehrgeschwächten mit pathologischen Leberwerten auch an eine Hepatitis E zu denken und die für eine Diagnosesicherung richtigen Tests durchführen zu lassen. In diesen Fällen sind die serologischen Antikörpernachweise unzuverlässig und nicht geeignet, da die Antikörperbildung unter Immunsuppression verzögert auftreten oder sogar fehlen kann. Somit stellt der Hepatitis-E-Virus-Nukleinsäurenachweis mittels PCR aus Serum und Stuhl die Methode der Wahl dar. Dieser Diagnose der chronischen Hepatitis-E kommt große Bedeutung zu, da man sie behandeln und damit der Entwicklung einer eventuell letal endenden Leberzirrhose entgegenwirken kann Eine therapeutische Option der chronischen Hepatitis-E stellt einerseits die Reduktion der immunsuppressiven Therapie dar (insbesondere das Absetzen von Tacrolimus), was allerdings, vor allem auf Grund der Gefahr einer Transplant-Abstoßung, nicht immer möglich ist bzw. als alleinige Maßnahme nur in einem Teil der Fälle zum Ziel führt. Somit ist oft eine antivirale Therapie notwendig, die mit Ribavirin (und in manchen Fällen auch pegyliertem Interferon-alpha) erfolgt.

In einer Multicenterstudie mit 59 Organtransplantierten mit einer chronischen Hepatitis-E konnten nach 3-monatiger Ribavirin-Monotherapie 78% der Patienten geheilt werden, bei Verlängerung der Therapiedauer stieg diese Zahl auf 85% (Kamar et al., N Engl J Med 2014). Neu ist, dass in einer rezenten Studie die Messung der HEV-Ausscheidung im Stuhl mittels PCR als Monitoring-Methode für die optimale Therapiedauer sehr hilfreich war (Abravanel et al., Clin Infect Dis 2014).

Fazit. Zusammenfassend ist es also von Bedeutung, bei einer Hepatitisabklärung oder Abklärung pathologischer Leberparameter auch an die Hepatitis-E zu denken, selbst wenn der Patient keine Reiseanamnese angibt. Insbesondere bei Immunsupprimierten ist die Hepatitis-E in die Differentialdiagnose im Falle erhöhter Leberwerte oder unerklärlicher extrahepatischer Erscheinungen miteinzubeziehen. Wohl reichen serologische Tests (Hepatitis-E-Virus-Antikörperbestimmung) beim immunkompetenten Patienten oft aus, um eine Hepatitis-E-Virus-Infektion zu diagnostizieren, dennoch steht mit dem Hepatitis-E-Virus-Nukleinsäurenachweis mittels PCR aus Serum und Stuhl eine genauere Testmethode zur Verfügung, deren Einsatz beim Immunsupprimierten unerlässlich ist. An unserem Department steht diese Untersuchungsmethode, neben serologischen Untersuchungen auf Hepatitis-E-Virus, selbstverständlich zur Verfügung.

logo-virusepidemiologische-informationenQuelle:

VIRUSEPIDEMIOLOGISCHE INFORMATION” NR. 22/14-5. Dr. Eva Geringer und Prof. Dr. Heidemarie Holzmann. Department für Virologie der Med. Universität Wien.

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