Freitag, April 19, 2024

Handlungsempfehlungen zur Arzneimitteltherapiesicherheit

Handlungsempfehlungen und Checklisten für mehr Sicherheit bei der Medikation – Beispiele aus der APS-Arbeitsgruppe Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS).

Der Medikationsprozess mit zahlreichen Beteiligten – von der Verordnung bis zur Einnahme – ist so komplex, dass leicht Fehler entstehen können. Manche sind harmlos, andere können dem Patienten jedoch Schaden zufügen. Wir wissen heute aus Studien, dass etwa die Hälfte der Nebenwirkungen auf Fehler zurückzuführen und damit vermeidbar ist. Häufig sind es ganz einfache Werkzeuge, die den Unterschied machen können. Dazu zählen unter anderem Handlungsempfehlungen und Checklisten, die den Beteiligten, d.h. Ärzten, Apothekern, Pflegekräften und nicht zuletzt den Patienten, zur Verfügung gestellt werden.

Seit der Gründung des Aktionsbündnisses Patientensicherheit gibt es daher eine Arbeitsgruppe Arzneimitteltherapiesicherheit , die solche Werkzeuge erarbeitet und diese Interessierten kostenlos zur Verfügung stellt. Die Arbeitsgruppe wird zur Zeit von zwei Apothekerinnen (Frau Dr. Seidling aus Heidelberg und Frau Dr. Woltersdorf aus Bonn) geleitet und hat ca. 30 aktive Mitglieder. Das Besondere an der AG ist ihre interdisziplinäre Zusammensetzung (Ärzte, Apotheker, Pflege, Patientenvertreter, Krankenkassen, Universitäten etc.). Die folgenden drei Beispiele sollen zeigen, wie Handlungsempfehlungen die Akteure vor Ort unterstützen können.

Handlungsempfehlung zur Arzneimitteltherapiesicherheit im Krankenhaus

Die Handlungsempfehlung zur Arzneimitteltherapiesicherheit im Krankenhaus ist ein Werkzeug zur Selbsteinschätzung, in der die Arbeitsgruppe Empfehlungen für das Krankenhaus zusammengetragen hat. Sie versteht sich als Anregung, sich mit der Situation vor Ort auseinander zu setzen und Routineprozesse kritisch zu hinterfragen. Das Dokument umfasst 36 allgemeine und spezielle Maßnahmen zum Medikationsprozess:

  • Eine allgemeine Maßnahme ist z.B., dass es im Krankenhaus ein Gremium gibt, in dem mindestens eine Person explizit für Arzneimitteltherapiesicherheit benannt ist.
  • Ein Beispiel für eine spezielle Maßnahme zum Medikationsprozess ist, dass Übertragungen der Verordnung (Papier-Papier oder Papier-Elektronik) vermieden werden, und wenn doch Übertragungen stattfinden, in angemessenem Umfang das Vier-Augen-Prinzip eingehalten wird.

Die Handlungsempfehlung wurde 2015 neu aufgelegt und seitdem von über 150 Anwendern angefordert. Einige Häuser haben die Handlungsempfehlung genutzt, um die von ihnen implementierten Maßnahmen zur Arzneimitteltherapiesicherheit zu überprüfen, wie z.B. das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Seit Ende August führt das APS eine Online-Befragung zu Einsatz und Nutzung dieser Handlungsempfehlung durch.

Handlungsempfehlung zur oralen Applikation von Methotrexat

Bei einigen Medikamenten ist es besonders kritisch, wenn Fehler gemacht werden. Auch für den Umgang mit solchen so genannten Hochrisiko-Arzneimitteln hat die Arbeitsgruppe Handlungsempfehlungen entwickelt. Ein Beispiel ist Methotrexat, ein Arzneistoff, der die Zellteilung hemmt und in der Krebstherapie häufig in hoher Dosis eingesetzt wird. Da es auch entzündungshemmend wirkt, eignet es sich – in wesentlich niedriger Dosierung – auch für die Behandlung der rheumatoiden Arthritis. Es ist sogar das Medikament, das am häufigsten zur Behandlung rheumatischer Entzündungen eingesetzt wird. Das Medikament wird nur einmal pro Woche als Tablette eingenommen.

Das Einnahmeintervall ist so ungewöhnlich, dass manche Patienten das Medikament versehentlich täglich einnehmen, was mit schweren Nebenwirkungen verbunden ist. Die Handlungsempfehlung gibt praktische Anleitungen für Ärzte, Apotheker, Pflegekräfte und pharmazeutische Unternehmer, wie solche Dosierungsfehler vermieden werden können. Darin steht z.B., dass der Patient über die Risiken des Medikaments informiert werden muss, vor allem über frühe Anzeichen und Symptome von Vergiftungserscheinungen und die Notwendigkeit, bei deren Auftreten unmittelbar den Arzt aufzusuchen.

Tipps für Patienten zur Arzneimitteltherapiesicherheit im häuslichen Umfeld

Nicht zuletzt ist es ganz wichtig, dass sich solche Empfehlungen auch direkt an Patienten richten. Ein Beispiel dafür sind die „Tipps des Aktionsbündnisses Patientensicherheit zum häuslichen Umgang mit Arzneimitteln“. Diese Handlungsempfehlung gibt zehn allgemein gültige Hinweise zur Lagerung und Handhabung von Medikamenten. Dazu zählen z.B. Tipps wie

  • keine Arzneimittel einzunehmen, die eigentlich für andere Personen bestimmt sind,
  • in Mehrpersonenhaushalten auf jeder Arzneimittelpackung zu notieren, für wen das Arzneimittel bestimmt ist und
  • beim Teilen von Tabletten darauf zu achten, ob die Tabletten wirklich teilbar sind, denn manche Kerben sind reine Schmuckkerben!

Fazit. Die Beispiele zeigen, dass es gar nicht schwierig ist, Fehler zu vermeiden und die Medikationssicherheit zu verbessern. Entscheidend sind ein entsprechendes Risikobewusstsein auf allen Seiten und Kenntnisse, wie diese Risiken so gering wie möglich gehalten werden können. Es gibt jedoch noch viel zu tun. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit wird auch weiterhin Handlungsempfehlungen für die Praxis entwickeln.

Quelle:

Professor Dr. rer. nat. Ulrich Jaehde
Professor Dr. rer. nat. Ulrich Jaehde

Statement zur Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) von Prof. Dr. rer. nat. Ulrich Jaehde, Leiter des Bereichs Klinische Pharmazie der Universität Bonn anlässlich des 2. Internationalen Tages der Patientensicherheit am 17. September 2016 „Gemeinsam Medikationsfehler vermeiden“.

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