Freitag, April 19, 2024

Das Bufavirus als möglicher Erreger einer akuten viralen Gastroenteritis

Das Bufavirus ist ein neu entdecktes Parvovirus und ein potentieller Erreger der akuten viralen Gastorenteritis. In unseren Breiten ist es aber sehr selten.

Bufavirus – neu entdeckte Viren als potentielle Gastroenteritis-Erreger. Moderne analytische Methoden ermöglichen es, alle in klinischen Materialien vorhandenen Nukleinsäuren zu identifizieren. Man kann damit auch deren Sequenz bestimmen. Auf diese Weise werden nicht nur bekannte Viren in Patientenproben nachgewiesen, sondern immer wieder auch bisher unbekannte Viren entdeckt. So konnten vor wenigen Jahren Forscher auch erstmals das Bufavirus identifizieren. Studien lassen vermuten, dass das neu entdeckte Parvovirus (neben vielen anderen Viren) Erreger der akuten viralen Gastorenteritis sein könnte.



Im Jahr 2012 wurden im Rahmen einer Studie in Burkina Faso Stuhlproben von Kindern mit akutem Durchfall untersucht (Phan TG et al., J Virol 2012, 86: 11024-11030). Erwartungsgemäß wurden dabei in den meisten Proben Viren nachgewiesen, die als typische Verursacher einer viralen Gastoenteritis gelten (Noroviren, Rotaviren, Astroviren, Adenoviren u.a). In einzelnen Proben konnte man jedoch DNA eines bisher unbekannten Parvovirus finden. In Anlehnung an das Land seiner Entdeckung (Burkina Faso), bezeichneten es die Forscher schließlich als Bufavirus.

Die nächsten Verwandten des neuen Virus sind einerseits das weltweit verbreitete Parvovirus B19, das bekanntlich die Ringelröteln verursacht (siehe auch VEI 2015/08). Und andererseits das Parvovirus 4, dem man noch kein eindeutiges Krankheitsbild zuordnen konnte (siehe VEI 2015/15). Inzwischen wurden insgesamt drei verschiedenen Genotypen von Bufaviren (Genotypen 1-3) identifiziert.

 

Weitere Untersuchungen in anderen Ländern

Nach dem Erstnachweis wurden in mehreren Ländern Studien durchgeführt, in denen eine große Zahl von Stuhlproben auf das Vorhandensein des Bufavirus untersucht wurde. Dabei wurden in Finnland in 1,1% der Stuhlproben von Patienten mit Gastroenteritis und in Tunesien in 1,6% der Stuhlproben von Kindern mit Diarrhoe Bufaviren nachgewiesen (Väisänen E et al., Emerg Inf Dis 2014, 20: 1077-1079; Ayouni S et al., PlosOne 2016, 11:e0162255). Auch in Thailand und der Türkei fand man die Bufaviren in etwa 1% der Stuhlproben. Wobei diese Studien unter anderem zum ersten Mal zeigen konnten, dass Bufaviren nur bei symptomatischen Patienten mit Durchfall, nicht aber in Kontrollgruppen von gesunden, asymptomatischen Personen nachgewiesen werden können. (Chieochansin T et al., Arch Virol 2015, 160: 1781-1784; Altay S. et al., Clin Microbiol Infect 2015; 21: 965e1-965.e4.) Dies gilt als erster Hinweis, dass eine Infektion mit Bufaviren tatsächlich Symptome einer akuten Gastroenteritis verursacht.

 

Das Bufavirus verursacht nämlich weitaus geringere Viruslasten

Der Gesamtanteil der akuten Gastroenteritis-Fälle, die vom Bufavirus ausgelöst werden, dürfte im Vergleich zu anderen Viren, die diese Symptome verursachen, also verhältnismäßig gering sein. In den genannten Studien wurde nämlich beim überwiegenden Anteil der Diarrhoen Noro- und Rotaviren als kausale Erreger identifiziert. Neben der Häufigkeit ihres Auftretens, scheinen sich Bufaviren auch im Hinblick auf die Virusmenge, die im Stuhl von Erkrankten enthalten ist, von üblichen Gastroenteritis-Viren zu unterscheiden. Im Vergleich zu Noroviren verursacht das Bufavirus nämlich weitaus geringere Viruslasten (1000-10000 Viruskopien/ml Stuhl). Dies lässt vermuten, dass es auch im Hinblick auf die Übertragungswahrscheinlichkeit Unterschiede geben könnte, Studien zu diesem Thema fehlen aber leider bislang.



Es stellt sich außerdem die Frage, in welchem Alter Bufavirus-Infektionen typischerweise vorkommen. Während die Ergebnisse der ersten Studien auf ein gehäuftes Auftreten im Kindesalter hindeuteten, konnte eine große, kürzlich durchgeführte Studie aus China vorherige Beobachtungen aus Finnland und Thailand bestätigen und eindeutig zeigen, dass Bufaviren nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen mit Durchfall nachgewiesen werden können (Huang D et al., Scientific Reports 2015, 5: 1372.). Die Nachweisrate von Bufaviren im Stuhl von Erwachsenen unterscheidet sich dabei nicht von der, die bei Kindern gefunden wird. Ein weiteres interessantes Ergebnis der chinesischen Studie bestand außerdem darin, dass die Nachweisrate von Bufavirusinfektionen zwischen einzelnen Regionen des Landes stark variierte. Welche regionalen Unterschiede im Hinblick auf das weltweite Vorkommen von Bufaviren bestehen, ist bis jetzt ungeklärt.

 

Antikörper gegen Bufaviren im Blut

Unlängst entwickelte jedoch eine finnischen Forschungsgruppe bestimmte Tests, mit denen man spezifische Antikörper gegen Bufaviren im Blut nachweisen kann. Somit ist es nun möglich, die Durchseuchung mit diesem Virus in verschiedenen Regionen der Erde zu untersuchen. Bei ersten Untersuchungen zeigte sich interessanterweise, dass die Bufavirus Durchseuchung bei finnischen Kindern mit 3,1% relativ niedrig ist. Erwachsene, die aus subtropischen und tropischen Regionen der Erde (z.B. Indien) stammten, zeigten hingegen eine deutlich höhere Durchseuchung von etwa 50% (Väisänen E et al., Scientific Reports 2016, 6:39267).

Da bis jetzt nur wenige Studien vorliegen, die sich mit der Untersuchung des Bufavirus beschäftigen, bleiben derzeit noch viele Fragen offen. So ist zum Beispiel ungeklärt, welche klinische Bedeutung Koinfektionen mit Bufaviren zukommt. In den meisten der genannten Studien  konnten nämlich in einem Teil der Stuhlproben außer Bufaviren gleichzeitig andere pathogene Viren (wie zum Beispiel Noroviren) identifiziert werden.
Unklar ist derzeit auch, ob Bufaviren nur im Darm replizieren (und nur über den Stuhl ausgeschieden werden) oder vielleicht auch in anderen Kompartimenten des Körpers (wie zum Beispiel im Blut) detektiert werden könnten. So konnten in einem Einzelfall das Bufavirus auch in einem nasopharyngealen Abstrich nachgewiesen werden.

 

Fazit

Zusammenfassend kann man sagen, dass die vorläufigen Ergebnisse der vorliegenden Studien dafür sprechen, dass Bufaviren in allen Altersgruppen als potentieller Auslöser einer akuten viralen Gastroenteritis in Frage kommen. Dass ihr Auftreten in unseren Breiten aber wahrscheinlich selten ist. In anderen Regionen der Erde könnte ihre epidemiologische Bedeutung aber weitaus größer sein. Um dies abschließend zu beurteilen, müssen jedoch weitere Studienergebnisse abgewartet werden.

Nichtsdestotrotz zeigte die kürzlich zurückliegende Entdeckung des Bufavirus, dass es noch weitere unentdeckte Viren geben dürfte, die als unerkannte Verursacher diverser Infektionskrankheiten in Frage kommen. Deren Entdeckung stellt eine fortdauernde Herausforderung für die virologische Forschung dar.



Quelle:

logo-virusepidemiologische-informationenVIRUSEPIDEMIOLOGISCHE INFORMATION” NR. 05/17-4. Priv.-Doz. Dr. Lukas Weseslindtner. Department für Virologie der Med. Universität Wien.

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