Donnerstag, März 28, 2024

Flow Diverter für die endovaskuläre Therapie der hirnversorgenden Gefäße

Flow Diverter sind Implantate für die endovaskuläre Therapie, bei der sich die Hämodynamik im Blutgefäß und damit funktionelle Aspekte gezielt verändert.

Die Behandlung von Erkrankungen der hirnversorgenden Gefäße über einen Katheter, die minimal-invasive endovaskuläre Therapie, ist seit vielen Jahren etabliert und bei zahlreichen Erkrankungen bereits die Methode der Wahl. Nachdem bereits seit geraumer Zeit auch Gefäßprothesen, sogenannte Stents, in die vergleichsweise kleinen intrakraniellen Gefäße über einen Katheter vorgebracht und dort abgesetzt werden können, wurde mit der Entwicklung der sogenannten Flow Diverter eine neue Ära in der endovaskulären Therapie eingeläutet.



 

Flow Diverter: Implantate und technische Meisterleistungen

Während die bisher zur Verfügung stehenden Stents, ähnlich ihrer Anwendung in der Kardiologie, die Weite und Form eines Gefäßes therapeutisch ändern, sind Flow Diverter Implantate, bei denen vorrangig eine gezielte Veränderung der Hämodynamik im Blutgefäß und damit funktionelle Aspekte im Vordergrund stehen. Dies wird erreicht, indem Flow Diverter im Vergleich zu den bisherigen Stents eine hohe Maschendichte aufweisen, sodass der Durchtritt des Bluts durch dieses Maschenwerk analog einem sehr feinen Sieb zwar reduziert, jedoch nicht grundsätzlich verhindert wird.

Flow Diverter sind Ingenieur-technische Meisterleistungen, da sie eine Vielzahl von eigentlich widersprüchlichen Eigenschaften in sich vereinen müssen. Sie müssen einerseits eine hohe Maschendichte aufweisen und nach der Freisetzung aus dem Katheter selbst expandieren und dadurch wandadhärent werden.

Im nicht entfalteten Zustand müssen Sie jedoch so dünn sein, dass sie in einen Mikrokatheter von weniger als einem Millimeter Durchmesser passen, und dabei jedoch immer noch so flexibel sein, dass sie sich auch extremen Gefäßkrümmungen und engen Radien der relativ kleinen Hirngefäße problemlos anpassen können.

Obwohl durch das Maschenwerk auch die Abgänge von kleineren, ebenfalls hirnversorgenden Gefäßen überdeckt werden, darf der Einsatz der Flow Diverter nicht zu einer kritischen Minderdurchblutung der von diesen Gefäßen abhängigen Hirnareale führen, da ansonsten ein Schlaganfall auftreten würde.

 

Flow Diverter Implantation

Neben den Herausforderungen an den Flow Diverter selbst und den für die Implantation benutzten Katheter ist die Etablierung dieser Technik ohne die parallele Entwicklung in der Bildgebung nicht denkbar. Da der Eingriff minimalinvasiv typischerweise von einer Gefäßpunktion der Leistenarterie aus durchgeführt wird, sind die Materialien im Gegensatz zu einer offenen Operation für den Neuroradiologen nicht direkt im Gefäß sichtbar, sondern müssen mit geeigneten Bildgebungstechniken dargestellt werden. Üblicherweise erfolgen solche Eingriffe in einem Angiografieraum unter sterilen Bedingungen ähnlich einem OP.



Moderne, als digitale Subtraktionsangiografie-Anlagen, kurz abgekürzt DSA, bezeichnete Geräte verwenden Röntgenstrahlung, mit denen besonders gut metallische Objekte wie Flow Diverter dargestellt werden können. Die Gefäße selbst können durch die Injektion von Kontrastmittel in die Gefäße ebenfalls sichtbar gemacht werden.

Neben der reinen Projektionsradiografie sind moderne Geräte aber auch in der Lage, dreidimensionale Aufnahmen von Gefäßen und Implantaten in hoher Qualität anzufertigen, sodass der Operateur dadurch jederzeit die volle räumliche Orientierung über das zu behandelnde Gefäß und die Instrumente hat.

Durch die beschriebenen Eigenschaften der Flow Diverter ist es erstmals möglich geworden, bisher weder durch eine Operation noch durch sonstige Verfahren behandelbare Erkrankungen von Hirngefäßen erfolgreich und dauerhaft zu behandeln. Dies gilt vor allem für die Riesen-Aneurysmen sowie fusiforme Aneurysmen, die im Gegensatz zu den sakkulären Aneurysmen durch das reine Einbringen von Implantaten in das Aneurysmalumen nicht ausreichend behandelt werden können.

Durch die Fähigkeit der Flow Diverter, den Blutein- und auch -ausstrom aus der krankhaften Aussackung positiv zu beeinflussen, können die erkrankten Gefäße praktisch rekonstruiert werden, ohne dass Implantate in das Aneurysma eingebracht werden müssen.

 

Fallbeispiel

Das Zusammenspiel aller genannten Techniken zeigt das Beispiel des folgenden Patienten, der infolge einer angeborenen Bindegewebeschwäche an einer hochgradigen krankhaften Aufweitung der  Arteria basilaris, einer sogenannten Megadolichobasilaris, litt.



Die immer weiter fortschreitende Aufweitung des Gefäßes führt zur Ablagerung von Blutgerinnseln an der Gefäßwand, sodass letztlich eine große Raumforderung entsteht, die auf die umgebenden Hirnstrukturen drückt, wie die MRT- Bilder zeigen. Als Folge werden die Strukturen des Gehirns geschädigt, sodass in Abhängigkeit von   der Lokalisation schwere neurologische Symptome auftreten.

Abbildung 1: MRT, T2-gewichtet, sagittal: krankhafte Erweiterung der Arteria basilaris (Megadolichobasilaris) mit großen thrombosierten Anteilen, dadurch erhebliche Kompression des Hirnstamms.

Abbildung 1: MRT, T2-gewichtet, sagittal: krankhafte Erweiterung der Arteria basilaris (Megadolichobasilaris) mit großen thrombosierten Anteilen, dadurch erhebliche Kompression des Hirnstamms.

Abbildung 2: DSA ap der rechten Arteria vertebralis: Darstellung des durchströmten Lumens der Megadolichobasilaris, erweitertes Gefäß mit deutlich unregelmäßiger Wand.
Abbildung 2: DSA ap der rechten Arteria vertebralis: Darstellung des durchströmten Lumens der Megadolichobasilaris, erweitertes Gefäß mit deutlich unregelmäßiger Wand.
Abbildung 3: DSA ap der rechten Arteria vertebralis: nach Implantation von 3 Flowdivertern (Acandis Derivo) Normalisierung des Gefäßlumens.
Abbildung 3: DSA ap der rechten Arteria vertebralis: nach Implantation von 3 Flowdivertern (Acandis Derivo) Normalisierung des Gefäßlumens.
Abbildung 4: Micro Dyna-CT mit 3D-Darstellung der drei überlappenden Flowdiverter (Acandis Derivo). Im Hintergrund Darstellung der teilweise mitabgebildeten knöchernen Schädelbasis.
Abbildung 4: Micro Dyna-CT mit 3D-Darstellung der drei überlappenden Flowdiverter (Acandis Derivo). Im Hintergrund Darstellung der teilweise mitabgebildeten knöchernen Schädelbasis.

Die Aufnahmen oben zeigen die Implantation mehrerer Flow Diverter (überlappend) in dem sehr langstreckig erkrankten Gefäßabschnitt, sodass ein normales Innenlumen damit wieder rekonstruiert werden konnte. Bereits die Kontrollaufnahmen kurz nach Implantation der Flow Diverter zeigen eine Verbesserung der Situation mit einem reduzierten Ausstrom von kontrastierten Blut durch das Maschenwerk der Flow Diverter. Parallel dazu war bereits direkt nach dem Eingriff klinisch eine Besserung der Symptome  des Patienten aufgetreten.

 

Großes Potenzial

Das Fortschreiten der Erkrankung kann dadurch zum Stillstand gebracht werden, im Idealfall schrumpfen die Blutgerinnsel um das rekonstruierte Gefäßlumen, sodass auch der Druck und damit die Schädigung der umgebenden Hirnstrukturen wieder nachlässt. Diese Technik weist noch sehr viel Potenzial auf, das durch die weitere Technikentwicklung sowohl auf der Seite der Bildgebung, der Simulationstechniken, aber auch der Materialentwicklung bei Kathetern und der Flow Diverter noch erschlossen werden kann.




Quelle:

Statement » Aktuelle Therapie von Gefäßfehlbildungen – neue Methoden und Entwicklungen « von Professor Dr. med. Martin Skalej, Direktor des Instituts für Neuroradiologie am Universitätsklinikum Magdeburg A. ö. R. anlässlich der 68. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC).

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