Sonntag, März 17, 2024

Fakten und falsche Annahmen zu Gelenkschmerzen

Populäre Annahmen zu Gelenkschmerzen widersprechen oft aktuellen Forschungsergebnissen, wobei Fehleinschätzungen wirksamen Therapien im Wege stehen können.

Im Bereich der Gelenkbeschwerden gibt es zahlreiche Irrglauben und Missverständnisse, die oftmals dazu führen, dass Betroffene sich gegen eine Behandlung entscheiden, obwohl eine Therapie ihre Lebensqualität durch Schmerzlinderung und Zustandsverbesserung deutlich erhöhen könnte.

Die weit verbreitete Annahme, dass die Intensität der Gelenkschmerzen direkt mit dem Ausmaß des Schadens am Gelenk korreliert, trifft nicht generell zu. Insbesondere bei schweren Schädigungen mag dies zutreffen, jedoch zeigt sich, dass viele Menschen mit radiologisch bestätigten Gelenkschäden keine Schmerzen verspüren, während die Hälfte der Personen mit Knieschmerzen radiologisch unauffällige Gelenke hat. Dies wirft die Frage auf, welche spezifischen Gelenkveränderungen tatsächlich Schmerzen verursachen oder fördern.

Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass eine Verengung des Gelenkspalts eher zu Knieschmerzen führt als Osteophyten, die als degenerative Veränderungen des Knochens auftreten. Es scheint, dass heftige Schmerzen vor allem mit Synovialitis – einer Entzündung der Gelenkinnenhaut – oder Schäden am Knochenmark einhergehen, weniger mit Osteophyten, Veränderungen des Knorpelgewebes, Knochenzysten, Subluxationen des Meniskus oder Bänderrissen.

 

Nicht jeder Gelenkschmerz ist auf eine Entzündung zurückzuführen

Die Annahme, dass Gelenkschmerzen stets mit Entzündungen verbunden sind, ist ebenfalls ein Trugschluss. Entzündungen sind vor allem bei akuten Schmerzen relevant, spielen aber bei chronischen und mechanischen Schmerzen eine untergeordnete Rolle. Aus pathophysiologischer Sicht resultieren Gelenkschmerzen sowohl aus einer Entzündung der Gelenkinnenhaut als auch aus Knochenschmerzen, die durch eine Verengung des Gelenkspalts und den dadurch erhöhten lokalen Druck verursacht werden.

Eine frühere Untersuchung zeigt, dass eine Behandlung mit Zoldedronsäure – in der Dosierung 5 mg i.v. – den Knochenschmerz um 15 Punkte auf der hunderteiligen VAS-Skala reduzieren kann. Zudem wurde eine Verringerung der Knochenmarksverletzungen um 37 Prozent beobachtet. Bei Schmerzen, die auf eine Entzündung der Gelenkinnenhaut zurückzuführen sind, erweisen sich nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) als wirksam. Ebenfalls kann die gezielte Behandlung von Knochenmarksödemen zur Schmerzlinderung beitragen.

Es ist ein weitverbreiteter Trugschluss zu glauben, dass Gelenkschmerzen immer direkt aus den Gelenken resultieren müssen. Tatsächlich können auch soziale Faktoren, das Verhalten bei Schmerzen, Emotionen, Gedanken, die Wahrnehmung von Schmerz und Schädigungen im schmerzempfindlichen Gewebe eine Rolle spielen.

Die psychische Komponente des Schmerzes wird besonders am Beispiel der Arthrose deutlich: Der spontane Schmerz bei Arthrose manifestiert sich im Gehirn im medialen präfrontalen Kortex und beeinflusst die Stimmung. Schmerzen, die durch einen äußeren Reiz verursacht werden, aktivieren hingegen Gehirnareale, die für die Verarbeitung somatosensorischer und nozizeptiver Signale zuständig sind. Gelenkschmerzen können zu einer Sensibilisierung des Gehirns führen, was eine lokale Überempfindlichkeit zur Folge hat.

 

Gelenkschmerzen sind im Alter nicht unvermeidlich und lassen sich behandeln

Die Mehrheit der Betroffenen mit Arthrose, etwa 80 Prozent, ist älter als 50 Jahre. Doch das Alter allein bestimmt nicht das Ausmaß oder das Vorhandensein von Gelenkschmerzen. Weitere Faktoren wie Übergewicht, lokale Verletzungen und sogar genetische Dispositionen, wie das Vorhandensein des Ile585Val TRPV1-Genotyps, der zu einer geringeren Schmerzempfindlichkeit im unteren Körperbereich führt, beeinflussen die Schmerzintensität bei Arthrose.

Bei entzündlichen Gelenkerkrankungen kann das Geschlecht einen Einfluss auf das Schmerzempfinden haben, wobei Frauen oft stärker betroffen sind als Männer. Hormonelle Faktoren, wie beispielsweise eine Östrogenblockade bei Brustkrebstherapien, können ebenfalls Gelenkschmerzen verstärken.

Obwohl in manchen Fällen vollständige Schmerzfreiheit kein realistisches Ziel darstellt, sollte Schmerz nicht als unausweichlich hingenommen werden. Selbst starke Schmerzen bedeuten nicht zwangsläufig schwerwiegende Gelenkschäden.

Da Gelenkschmerzen eine hohe Variabilität aufweisen, ist es entscheidend, die spezifischen Schmerzphänotypen sorgfältig zu analysieren, um eine angemessene Behandlung einzuleiten. Experten im Bereich der Schmerztherapie empfehlen eine Kombination aus medikamentöser und nicht-medikamentöser Behandlung für ein effektives Schmerzmanagement.


Quelle:  EFIC 2016 – Topical Symposium on Acute and Chronic Joint Pain: Statement Prof. Serge Perrot

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