Freitag, März 29, 2024

Akuter Stress beeinträchtigt die Selbstkontrolle

Bereits moderater Stress beeinträchtigt unsere Fähigkeit zur Selbstkontrolle, starker Stress kann auch die Entscheidungsfähigkeit mindern.

Um unsere Fähigkeit zur Selbstkontrolle negativ zu beeinflussen, reicht bereits moderater Stress vollkommen aus. Neuroökonomen der Universität Zürich konnten unlängst in einer Studie wichtige Hinweise zum Verständnis bieten, wie Stress unser Gehirn bei der Entscheidungsfindung beeinflusst und unsere Fähigkeit zur Selbstkontrolle herabsetzt.

 

Bereits kleine Streitereien bei der Arbeit können zu Stress und Beeinträchtigung der Selbstkontrolle führen

Eine anstrengende Sitzung am Morgen oder ein schwieriges Gespräch kann beeinflussen, ob wir nach dem Mittagessen zu einem zusätzlichen Stück Kuchen oder zum gesunden Apfel greifen. Stress bringt das Gehirn dazu, die Selbstkontrolle herabzusetzen, wenn es mit einer Wahl konfrontiert wird.

 

Studie zum Einfluss von Stress auf die Selbstkontrolle

In der Studie wurden 29 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Labor einer Behandlung unterzogen, die moderaten Stress erzeugt: Die Versuchsleiterin beobachtet und bewertet die Probanden, während diese eine Hand drei Minuten lang in Eiswasser tauchen. Nach dieser Behandlung wählten die Probanden im MRT-Scanner in einer Reihe von Entscheidungen zwischen jeweils zwei Speisen aus. Weitere 22 Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden einer Kontroll-Behandlung unterzogen.

Bei der Auswahl der Speisen standen alle Probanden vor der Wahl, etwas Schmackhaftes, aber Ungesundes zu essen, oder etwas, das zwar gesund, aber weniger schmackhaft war. Alle Probanden hatten zuvor angegeben, dass sie einen gesunden Lebensstil führten – etwa indem sie sich ausgewogen ernährten und Sport trieben.

 

Gestresste Personen, bei denen die Fähigkeit zur Selbstkontrolle beeinträchtigt ist und die sich im Normalzustand bewusst gesund ernähren, entscheiden sich durch Stress für ungesunde Speisen.

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass jene Personen mit der stressreichen Eisbadbehandlung die geschmacklichen Attribute als wichtiger einschätzten. Sie wählten mit größerer Wahrscheinlichkeit eine ungesunde Speise aus als jene Probanden ohne Eisbadbehandlung. Die Auswirkungen von Stress waren auch im Gehirn sichtbar, wie die Wissenschaftler mithilfe von bildgebender funktioneller Magnetresonanz-Tomographie (FMRT) belegten.

Zwischen den Hirnregionen, die für die Ausübung von Selbstkontrolle wichtig sind – wie dem Mandelkern, dem Striatum und dem für die Entscheidungsfindung wichtigen dorsolateralen und ventromedialen präfrontalen Kortex – zeigten sich bei den gestressten Teilnehmern veränderte neuronale Verbindungsmuster. Das üblicherweise mit Stress in Verbindung gebrachte Hormon Cortisol spielte jedoch nur für einige dieser neuronalen Veränderungen eine Rolle.

 

Stress wirkt sich über mehrere Hirnregionen aus

Die Erkenntnisse sind ein wichtiger Schritt zum Verständnis der Interaktionen zwischen Stress und Selbstkontrolle im menschlichen Gehirn. Wobei man weiß, dass sich Stress über mehrere Wege im Gehirn auswirkt. Zudem ist die Fähigkeit zur Selbstkontrolle an mehreren Punkten des neuronalen Netzes für Störungen empfänglich.

Die optimale Selbstkontrolle erfordert ein präzises Gleichgewicht zwischen den Interaktionen der beteiligten Gehirnregionen. Selbstkontrolle lässt sich nicht mit einem Schalter vergleichen, der entweder ein- oder ausgeschaltet ist. Hingegen könnte man eher an einen Regler denken, mit dem man die Stärke der Selbstkontrolle flexibel anpasst.

 

Sogar moderater Stress kann die Fähigkeit zur Selbstkontrolle beeinträchtigen

Die Forschung zeigt, dass sogar moderater Stress die Fähigkeit zur Selbstkontrolle beeinträchtigen kann. Dies ist eine wertvolle Erkenntnis, da moderate Stressfaktoren häufiger sind als extreme Ereignisse. Daher ist die Fähigkeit zur Selbstkontrolle häufiger und bei einem größeren Teil der Bevölkerung beeinflusst.

Bestimmte Faktoren wie Sport und soziale Unterstützung können erwiesenermaßen vor strukturellen Gehirnveränderungen nach schwerem Stress schützen. Auch die Auswirkungen von moderatem Stress können die Entscheidungsfindung beeinträchtigen. Da es beim Ausmaß von erlebten Stress eine beachtliche Streuung unter den Menschen gibt, sind einige Menschen widerstandsfähiger gegen Stress als andere.


Literatur

Maier SU, Makwana AB, Hare TA. Acute Stress Impairs Self-Control in Goal-Directed Choice by Altering Multiple Functional Connections within the Brain’s Decision Circuits. Neuron. 2015 Aug 5;87(3):621-31. doi: 10.1016/j.neuron.2015.07.005. PMID: 26247866.

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