Mittwoch, April 24, 2024

Endoskopische Therapie von ­Frühkarzinomen

Die endoskopische Therapie von Frühkarzinomen im Magen-Darm-Trakt – nach wie vor eine Herausforderung für Endoskopiker – bringt vielversprechende Langzeitergebnisse.

Durch die gestiegene Lebenserwartung werden auch in der Gastroenterologie die Patienten immer älter. Die steigende Zahl multimorbider Patienten stellt für Ärzte und Patienten hohe Anforderungen. Endoskopische Therapie und Diagnostik stellen noch immer eine Herausforderung für Endoskopiker dar. Frühe Barrett-Neoplasien sind häufig nur schwierig zu detektieren und abzugrenzen, sodass in den Leitlinien weiterhin die 4‑Quadranten-Biopsie als diagnostische Methode der Wahl empfohlen wird. Chromo-endoskopische Verfahren, wie die Essigsäurefärbung, können allerdings die Diagnostik deutlich erleichtern. Die Therapie der Wahl im Fall einer frühen Barrett-Neoplasie stellt in den meisten Fällen die endoskopische Resektion mit einem Multiband-Ligatur-System dar. Nach kompletter Resektion des neoplastischen Areals muss immer eine Ablation des Rest-Barrett-Ösophagus erfolgen, um die Rezidiv-Wahrscheinlichkeit zu minimieren. Hierfür werden vor allem die Radiofrequenzablation und die Argon-Plasma-Koagulation eingesetzt.

Frühkarzinome des Gastrointestinaltraktes sind Veränderungen, die üblicherweise auf die Mukosa oder die Submukosa beschränkt sind. Wie tief die Eindringtiefe sein kann, bevor es zu Auftreten von Lymphknotenmetastasen kommt, hängt vom jeweiligen Organ ab: Im Ösophagus sind Karzinome, welche die Epithelgrenze nicht überschreiten (m1) oder die lamina propria (m2) infiltrieren, Kandidaten für eine endoskopische Therapie, da in diesen Fällen keine Lymphknotenmetastasen auftreten. Besteht eine Infiltration des obersten Drittels der Submukosa, steigt das Risiko bereits auf 19% an.

 

Endoskopische Therapie: Endo­skopische Mukosaresektion Endoskopischen Submukosadissektion

Im Magen sind hoch differenzierte, intramukosale Karzinome bzw. Karzinome mit einer Invasion der Submukosa von weniger als 500 µm und weniger als 3 cm Durchmesser Indikationen zur endoskopischen Resektion. Im Dickdarm stellen die Indikationen vor allem mukosale Karzinome dar. Endoskopisch werden Frühkarzinome durch zwei verschiedene Techniken entfernt: die »Endo­skopische Mukosaresektion« (EMR) oder die neue Technik der »Endoskopischen Submukosadissektion« (ESD). Beide Techniken stammen aus Japan, wo sie vor allem zur Behandlung des Magenfrühkarzinoms entwickelt wurden. Mittlerweile finden sie aber auch im Ösophagus, Dünndarm und Colon Anwendung.

Voraussetzung für eine endoskopische Therapie von Frühkarzinomen ist eine verfeinerte Bildgebung, die auf dem Einsatz von Farbstoffen wie Indigokarmin oder elektronischer bzw. optischer Bildmanipulation wie dem Narrow Band Imaging (NBI) basiert. Dadurch werden mittels Kontrastverstärkung einerseits flache Läsionen besser dargestellt, andererseits lässt sich aufgrund des Schleimhautmusters ein Rückschluss auf die histologische Diagnose stellen. Verfahren wie NBI erlauben es darüber hinaus, abnormale Gefäßmuster darzustellen und so eine Einschätzung über die Invasivität einer Läsion zu erhalten.

Die Mukosaresektion wird – je nach Organ – üblicherweise mithilfe einer transparenten Aufsatzkappe durchgeführt. Dadurch kann nach Unterspritzen einer Läsion ein relativ großes Gewebsstück zuerst angesaugt und dann mittels Schlinge abgetragen werden. Frühkarzinome bis ca. 2 cm Durchmesser können so en bloc entfernt werden. Bei größeren Veränderungen ist die so genannte »piece-meal«-Technik, bei der ein Areal in mehreren Stücken reseziert wird, notwendig. Nachteil dabei ist die Gefahr, dass nicht sichtbare Tumoranteile verbleiben bzw. wird es durch dieses Vorgehen dem Pathologen unmöglich, zu beurteilen, ob das Frühkarzinom im Gesunden reseziert wurde.

Aus diesem Grunde wurde in Japan das neue Verfahren der Submukosadissektion entwickelt. Dabei kommen spezielle Messer zum Einsatz, die über den Arbeitskanal des Endoskops eingeführt werden (z.B. IT-knife, hook-knife, etc.). Nach Unterspritzen wird dann endoskopisch das Frühkarzinom in einem Stück frei präpariert und schließlich abgetragen.

Beiden Verfahren gemein ist das anschließende Aufspannen des Resektats auf eine Korkplatte. Dies dient dazu, dem Pathologen eine genaue Beurteilung der Resektionsränder zu erlauben. Beide Verfahren sind technisch anspruchsvoll und bedürfen einer entsprechenden Erfahrung. Darüber hinaus ist es notwendig, die entsprechenden Techniken zur Behandlung etwaiger Komplikationen zu beherrschen. Dazu gehören der Einsatz von Clip zum Verschluss von Perforationen sowie alle wesentlichen Blutstillungstechniken.

Auch wenn endoskopische Resektionsverfahren aufgrund ihrer minimalen Invasivität attraktiv sind, muss man sich der Limitationen und Schwierigkeiten der Methoden bewusst sein: Die Eingriffe sind besonders im Falle der ESD zeitaufwändig und können im Einzelfall bei großen Läsionen auch Stunden dauern. Die Lernkurve ist lang: in der japanischen Literatur geht man davon aus, dass man zumindest 30 ESDs unter Aufsicht eines erfahrenen Untersuchers durchführen muss, um eine gewisse Kompetenz zu erreichen. Komplikationen sind im Vergleich zu etablierten endoskopischen In­terventionen wie der Polypektomie relativ häufig: Perforationen werden je nach Organ und Technik (häufiger bei der ESD) in bis zu 12% der Fälle beschrieben. Dabei ist allerdings anzumerken, dass die überwiegende Mehrzahl der Perforationen konservativ, d.h. durch endoskopisches Clipping und gegebenenfalls antibiotische Abschirmung behandelt werden können. Blutungen treten in bis zu ca. 12% auf und werden ebenfalls mittels Clip oder thermischer Methoden wie der Thermokoagulation beherrscht.

Im Ösophagus kann es zum Auftreten von narbigen Stenosen kommen, die durch Bougierung therapiert werden. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass mittels der endoskopischen Verfahren in vielen Fällen eine Organresektion verhindert werden kann und die publizierten Ergebnisse – vor allem aus Japan – gut sind: für die endoskopische Submukosadissektion werden en-bloc-Resektionsraten von bis zu 100% beschrieben, die Rate an Lokalrezidiven liegt zwischen 0 und 11%.

Obwohl die endoskopische Therapie von Frühkarzinomen im Magen-Darm-Trakt noch eine relative junge Technik ist, sind die Langzeitergebnisse vielversprechend: Der Langzeit-Outcome der EMR bei mukosalen Magenkarzinomen unter 2cm Durchmesser entspricht mit 5- und 10-Jahres-Überlebensraten von 99% dem der Gastrektomie. Nach ESD von Magenkarzinomen liegt der Anteil derer Patienten, die nach drei Jahren ohne Rezidiv sind, bei 90–92%. Diese Zahlen stammen allesamt aus Japan, wo die Erfahrung mit diesen Verfahren am umfassendsten ist, während europäische Endoskopiker sich erst zunehmend mit der Technik auseinander setzen. Gleichzeitig ist abzusehen, dass sich EMR und ESD durch die weitere Verfeinerung des Zubehörs als sichere und wenig invasive Therapie von gastrointestinalen Frühkarzinomen etablieren werden.

Quelle und weitere Informationen:

Endoskopische Therapie von ­Früh­karzinomen im Magen-Darmtrakt. Dr. Michael Häfner. MEDMIX 11 / 2008.

http://www.gastroenterologie-regensburg.de/download/Prof_KHW_Bedeutung_Endoskopie.pdf

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