Donnerstag, April 18, 2024

Diabetes und Herzinsuffizienz: unabhängige Risikofaktoren

Diabetes mellitus und Herzinsuffizienz sind gegenseitig unabhängige Risikofaktoren. Die Arteriosklerose stellt ein Bindeglied ­zwischen Diabetes und Herzinsuffizienz dar.

Diabetes mellitus gilt in klinischen Studien als ­unabhängiger Risiko­faktor für Herzinsuffizienz. Umgekehrt ist Herzinsuffizienz ein ­unabhängiger Risikofaktor für Diabetes. Mehr als 10% der Patienten mit Diabetes­ leiden an ­einer manifesten Herz­insuffizienz. Etwa 30% der Patienten mit Herzinsuffizienz sind gleichzeitig an Diabetes ­mellitus ­erkrankt. Dies alles demonstriert einen klaren Zusammenhang zwischen Diabetes und Herzinsuffizienz.

Patienten mit Diabetes haben außerdem ein mehr als doppelt so hohes Risiko, eine Herzinsuffizienz zu entwickeln. Eine Untersuchung an 44.000 Patienten mit idiopathischer Herzinsuffizienz konnte zeigen, dass Diabetes mellitus das Risiko, eine Herzinsuffizienz zu entwickeln um das 2,5-fache erhöht. Folgende Risikofaktoren gelten für die Entstehung einer Herzinsuffizienz bei Diabetes mellitus als gesichert:

  • Hypertonie,
  • koronare Herzkrankheit,
  • kardiovaskuläre autonome diabetische Neuro­pathie (KADN),
  • Hyperglykämie und
  • Hyperinsulinämie.

Die kardiovaskuläre, autonome diabetische Neuropathie bewirkt eine reduzierte Herzfrequenzvariabilität mit Ruhetachykardie (Vagusläsion) und fixierte Herzfrequenz. Neben Hypertonie, KHK und kardiovaskulärer autonomer diabetischer Neuropathie bewirkt die bestehende Hyperglykämie ebenso bedeutende Veränderungen im Herzmuskel. Für einige, pathologisch veränderte, intrazelluläre Mechanismen konnte folgendes nachgewiesen werden:

  • Bildung von advanced glycation end products (AGEs);
  • Polyol-Stoffwechsel;
  • Aktivierung der Proteinkinase C und
  • oxidativer Stress.

 

Folgende Faktoren korrelieren bei Diabetes mit dem Grad der Herzinsuffizienz:

  1. HbA1c: eine HbA1c-Erhöhung um 1% erhöht das Risiko um 12%
  2. Diabetesdauer
  3. Komorbidität: koronare Herzkrankheit, Hypertonie
  4. zusätzliche Nierenerkrankung
  5. BMI
  6. Alter

Die Arteriosklerose stellt im Grunde genommen ein essentielles Bindeglied zwischen Diabetes und Herzinsuffizienz dar. Denn atherosklerotisch bedingte Herzerkrankungen gehören zu den Haupttodesursachen von Patienten, die an Diabetes mellitus erkrankt sind.

Im Grunde genommen ist Diabetes ein unabhängiger Risikofaktor für koronare Herzkrankheit. Außerdem erhöht Diabetes die Wahrscheinlichkeit, an einer KHK zu erkranken, um das 2- bis 4-fache.

Das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, ist übrigens bei Patienten mit Diabetes gleich hoch, wie bei Patienten mit normalen Blutzucker, die bereits einen Herzinfarkt in der Anamnese aufweisen.

Wenn die Grund­erkrankung kardialer Natur ist, so steigert dies die Inzidenz von Störungen des Glucosemetabolismus.

In verschiedenen Studien waren über 63% der Patienten an Diabetes mellitus oder gestörter Glucosetoleranz erkrankt. Daher sollte bei kardial kranken Patienten ein oGTT zum Ausschluss einer Glucosestoffwechselstörung durchgeführt werden. Generell kann davon ausgegangen werden, dass mit der klinischen Verschlechterung der Herzinsuffizienz auch die Insulinsensitivität abnimmt.

 

NT-proBNP-Register

Um den Zusammenhang zwischen Diabetes und Herz­insuffizienz genau zu evaluieren, führen in diesem Sinne verschiedene Diabetesambulanzen NT-proBNP-Register. BNP, das aktive Hormon von proBNP, wird bei Herzinsuffizienz nach Dehnungsreizen freigesetzt und steuert der Volumenbelastung vasodilatatorisch und natriuretisch entgegen. Als Konsequenz wird Volumen ausgeschieden und zusätzlich bewegt sich die Blut/Flüssigkeitssäule leichter.

Wobei BNP und sein mit einer längeren Halbwertszeit versehenes Spaltprodukt NT-proBNP sehr gut mit dem Grad der Herzinsuffizienz korrelieren. Und sie sind dabei meist aussagekräftiger als ein Herz-Echo. Mit Hilfe des NT-proBNP können kardiovaskuläre Ereignisse innerhalb eines kürzeren Zeitraums präzise vorhergesagt werden.

Jedenfalls lag Daten zufolge der negative prädiktive Wert eines normalen NT-proBNP-Spiegels (< 125 pg/ml) für die Vorhersage kardiovaskulärer Ereignisse bei 98%. Daher ist die Bestimmung von NT-proBNP generell bei Diabetes-Patienten mit gesteigertem kardiovaskulären Risiko zu empfehlen.

 

Therapie bei Diabetes und Herzinsuffizienz

Aus therapeutischer Sicht sind übrigens alle, für Herzinsuffizienz zugelassenen Medikamente, auch bei Diabetikern nicht kontraindiziert. Zudem sollte man den Glucose- und Lipid-Stoffwechsel medikamentös optimieren. Bei fehlender Kontraindikation ist außerdem die Gabe von Thrombozytenagreggationshemmern zu empfehlen. Außer Zweifel steht der Benefit durch Angiotensin-Rezeptorblocker bzw. ACE-Hemmer sowie die Gabe von Beta-Blockern. Denn den positiven Effekt der Beta-Blockade auf die Gesamtmortalität bei Patienten mit Herzinsuffizienz und Diabetes konnten zahlreiche Ergebnisse aus klinischen Studien zeigen. Beta-Blocker sind daher bei Diabetes nicht kontraindiziert. Jedoch sollte man Stoffwechsel neutrale Substanzen bevorzugen.

 

Fazit

Unter dem Strich belegt die aktuelle Datenlage klar die Zusammenhänge zwischen Diabetes und Herzinsuffizienz. Wobei für die Interaktion der beiden Krankheitsbilder die durch den Diabetes gesteigerte Progredienz der Atherosklerose essentiell ist. Man sollte daher bei Patienten mit Herzinsuffizienz ein oraler Glucosetoleranztest zur Bestimmung der Stoffwechselsituation machen. Zudem sollte man bei Patienten mit Diabetes mellitus eine NT-proBNP-Bestimmung durchführen. Anschließend ist eine interdisziplinäre, therapeutische Intervention aus Diabetologie und Kardiologie mit Medikamenten notwendig.


Literatur:

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Quelle: Diabetes und ­ Herz­insuffizienz. A.o. Univ.-Prof. Dr. Martin Clodi. MEDMIX 10/2008

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