Samstag, April 20, 2024

Veränderung der Mikrobiota im Darm zur Reizdarm-Behandlung

Eine Manipulation der Mikrobiota im Darm, beispielsweise durch Probiotika oder Transplantation von Stuhl, scheint die Reizdarm-Behandlung verbessern zu können.

Unter dem Strich sind die Reizdarmsyndrom-Diagnostik und die Behandlung eines Reizdarms nach wie vor eine große Herausforderung in der Medizin. Seit der „Wiederentdeckung“ der Mikrobiota im Darm weiss man um ihre Schlüsselposition bei einer Vielzahl von Darmerkrankungen, wie heute eben auch in der Reizdarm-Behandlung. Im Fokus stehen also Darmbakterien, man spricht auch von Mikrobiom oder Darmflora.

Im Grunde genommen beeinflusst das Mikrobiom aber auch systemische Krankheiten wie Diabetes, metabolischem Syndrom und Übergewicht. Schließlich gibt es auch Einflüsse bei psychiatrischen und neurologischen Krankheiten wie Depression, ASD, Alzheimer sowie Morbus Parkinson.

 

Probiotika und Stuhltransplantation mit Darmbakterien zur Reizdarm-Behandlung

Im Grunde genommen glaubt man heute allgemein, dass eine Manipulation der Mikrobiota im Darm, therapeutisch sinnvoll und wirksam sein müsste (a yoghurt a day …). Das sollte somit auch in der Reizdarmbehandlung der Fall sein.  Hier stehen im Blickpunkt zum Beispiel Probiotika sowie die Transplantation einer Mikrobiota im Darm. Leider ist der Fortschritt in der Medizin nicht so schnell wie die Wünsche der potenziellen Nutzer. Und zwar aus vielerlei Gründen.

  1. Die Assoziation einer gestörten Darmmikrobiota (Dysbiose genannt) mit einem Krankheitsbild ist meistens nur korrelativer Natur. Es sagt also nichts über Ursache und Wirkung aus (Henne-Ei-Problematik).
  2. Die Manipulation der Darmmikrobiota durch Prä- und Probiotika ist von fraglicher Wirksamkeit. Außerdem handelt es sich dabei um sehr unterschiedliche Produkte. Beispielsweise sind in Joghurts viele verschiedene Bakterien enthalten.
  3. Viele dieser Bakterien überleben die Magen-Darm-Passage gar nicht.
  4. der Wirkmechanismus in den meisten Fällen ungeklärt ist (metabolisch, neuro-hormonell, immunologisch) und
  5. viele der Spekulationen auf tierexperimentellen Modellen beruhen, deren Übertragbarkeit auf den Menschen und gar auf Patienten fraglich ist.

 

Probiotika in der Reizdarm-Behandlung zur günstigen Veränderung der Mikrobiota

Dennoch sind seit Kurzem Probiotika der nächsten Generation (sogenannte Psychobiotika) verfügbar, die über einen nachgewiesenen Mechanismus auch auf Hirnfunktionen wirken. Und zwar sowohl bei gesunden Probanden als auch bei Patienten, zum Beispiel mit einem Reizdarmsyndrom. Dies gilt auch für andere speziell auf den Darm wirkende Medikamente.

 

Transplantation von Darmbakterien

Zunehmend gibt es auch Belege für die Rolle der Darmmikrobiota beim Reizdarmsyndrom. Die Fäkale Mikrobiota-Transplantation (auch Stuhltransplantation oder fäkaler Mikrobiomtransfer – FMT) ist heutzutage eine hochwirksame Behandlung gegen verschiedene Erkrankungen. So wirkt sie bei wiederkehrenden Clostridioides difficile-Infektionen in randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) sowie bei der chronischen Darmentzündung Colitis ulcerosa. Die Wirksamkeit beim Reizdarmsyndrom war jedoch ungewiss.

Nun zeigt eine aktuelle Metaanalyse, dass die Transplantation der Darmmikrobiota auch beim Reizdarmsyndrom wirksam ist. Dabei zeigten die Ergebnisse, dass frischer oder gefrorener Spender-Stuhl die Symptomatik bei den Patienten verbesserte.


Literatur:

Ianiro G et al. Systematic review with meta-analysis. Efficacy of faecal microbiota transplantation for the treatment of irritable bowel syndrome. Aliment Pharmacol Ther. 2019 Aug;50(3):240-248. doi: 10.1111/apt.15330. Epub 2019 May 28.

Bhattarai Y, Muniz Pedrogo DA, Kashyap PC. Irritable bowel syndrome: a gut microbiota-related disorder? Am J Physiol Gastrointest Liver Physiol. 2017 Jan 1;312(1):G52-G62. doi: 10.1152/ajpgi.00338.2016. Epub 2016 Nov 23.


Quelle: Statement » Aktuelle Erkenntnisse zur Reizdarmbehandlung: Welche Rolle spielt das Mikrobiom? Wie kann man Placeboeffekte gezielt nutzen? «. Professor Dr. Dipl.-Psych. Paul Enck, Forschungsleiter der Abteilung Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Tübingen. Deutscher Kongress für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, März 2018, Berlin

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