Sonntag, März 17, 2024

Auch beim Abnehmen relevant: Darmflora und Darmbakterien beeinflussen das Körpergewicht

Die Darmflora beeinflusst Körpergewicht und Abnehmen, denn bei Patienten mit Adipositas produzieren Darmbakterien indirekt deutlich mehr unverdauliche Kohlenhydrate wie Zellulose.

Die Zusammensetzung der Darmbakterien und die Funktion der Darmflora eine Rolle spielen eine Rolle im Zusammenhang mit dem Körpergewicht, beim Abnehmen sowie bei der Entwicklung von Adipositas und anderen Stoffwechselerkrankungen. Allerdings konnte man die Mechanismen noch nicht vollständig klären. Neue Forschungsergebnisse, Entdeckungen und Fortschritte auf diesem Gebiet sind für die klinische Versorgung von betroffenen Stoffwechselpatienten bedeutsamer geworden. Beispielsweise verändert die mit Fettleibigkeit und erhöhtem Körpergeicht assoziierte Darmflora die Energiegewinnung des Körpers. Weiter die Insulinresistenz, Entzündungen sowie Fettablagerungen.

Jedenfalls scheint die Manipulation der Darmflora und der Darmbakterien vielversprechendes Potential zur Körpergewicht-Senkung sowie zur Behandlung der Adipositas und ihrer damit verbundenen gesundheitlichen Komplikationen zu haben. Und zwar sowohl als eigenständige Therapie als auch im Rahmen von Maßnahmen wie Gewichtsverlust.

Veränderungen in der mikrobiellen Vielfalt und Zusammensetzung sind zunehmend mit verschiedenen Krankheitszuständen verbunden, einschließlich Fettleibigkeit und Verhaltensstörungen.

 

Einfluss der speziellen Darmbakterien in der Darmflora auf das Körpergewicht

Ein beträchtlicher Teil der Bakterienbesiedelung, die als ganzes das menschliche Darm-Mikrobiom beziehungsweise die Darmflora darstellt, bildet das sogenannte Basismikrobiom.

Hinzu kommen sogenannte Enterotypen, die ihrerseits abhängig sind von genetischen Faktoren des Einzelnen und von den Bakterientypen, mit denen das Darm-Mikrobiom in Kontakt kam. Enterotypen sind häufige Besiedelungsvarianten, die nach ihrer dominierenden Bakteriengattung das jeweilige Darm-Mikrobiom von Menschen in drei Gruppen einteilt:

  • Das Darm-Mikrobiom der ersten beiden Gruppen wird entweder von Vertretern der Gattung Bacteroides oder von Vertretern der Gattung Prevotella, die beide zum Stamm Bacteroidetes gehören, dominiert.
  • Das Mikrobiom der dritten Gruppe wird geprägt von Keimen der Gattung Ruminococcus. Diese gehören dem Phylum Firmicutes an.

 

Bacteroidetes und Firmicutes beim Menschen

Diese Enterotypen sind zunächst unabhängig von Geschlecht, Alter und Nationalität des Menschen. Allerdings beobachtet man einen starken Zusammenhang zu langfristigen Ernährungsgewohnheiten, insbesondere bezogen auf tierisches Fett (Bacteroides-Enterotyp) oder eine hohe Kohlenhydratzufuhr (Prevotella-Enterotyp). Nach heutiger Kenntnis entwickeln sich die Enterotypen hinsichtlich ihrer Diversität primär bis zum dritten Lebensjahr. Im Alter beobachtet man dann eine Rückbildung der Diversität.

Unterschiede in den Mikrobiomen bei fettleibigen Menschen – Adipösen – und Schlanken machen sich vor allem an Vertretern der beiden Phyla Bacteroidetes und Firmicutes fest. Sehr reproduzierbar dominieren bei Normalgewichtigen Bacteroidetes-Stämme, bei Adipösen hingegen Firmicutes-Stämme. Eine derartige Verschiebung der Hauptstämme wirkt sich unmittelbar auf den Energiestoffwechsel aus.

So produzieren die Darmbakterien der der Darmflora bei Menschen mit Adipositas deutlich mehr Enzyme, die dann unverdauliche Kohlenhydrate wie Zellulose spalten können. Damit holen diese Menschen viel mehr Energie aus ihrer Nahrung als Menschen, bei denen Bakterien des Phylums Bacteroidetes dominieren. Die oft propagierten „schlechten“ beziehungsweise „guten Nahrungsverwerter“ bekommen hier nun ein biologisches, nachvollziehbares Korrelat.

 

Die Darmflora – ein dynamisches System

Das Darmflora ist kein statisches, sondern um ein sehr dynamisches System. Experimentell ließ sich demonstrieren, dass das Mikrobiom von Normalgewichtigen erstaunlich schnell reagierte, wenn man diesen eine hochkalorische Diät verordnete: Der Anteil der Firmicutes-Vertreter stieg, während der der Bacteroidetes-Vertreter um bis zu 20 Prozent sank. Die Konsequenz: Die Energieausbeute aus der aufgenommenen Nahrung stieg um bis zu 150 Kilokalorien pro Tag. Was moderat klingt, hat auf Dauer aber deutliche Auswirkungen. Populationsstudien in den USA zeigen, dass dort viele Menschen pro Jahr um ein halbes Kilo an Gewicht zulegen.

Hinzu kommt, dass einige Bakterien aus den Familien Enterobacteriaceae und Desulfovibrionaceae sehr toxische Lipopolysaccharide produzieren, die vermehrt zu Störungen der Darmbarriere-Funktion führen und somit wiederum subklinische, chronische Entzündungen im Darmbereich, vermehrte Fetteinlagerung, Fettleber und eine gestörte Insulinsensitivität nach sich ziehen. Folgeerkrankungen sind Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung und Insulinresistenz – alles Kernsymptome des metabolischen Syndroms.

 

Mit Stuhltransplantation die Darmflora verändern

Alle diese Erkenntnisse lassen eine Intervention auf der Ebene des Mikrobioms plausibel erscheinen. Eine Möglichkeit kann darin bestehen, das Darm-Mikrobiom adipöser Patienten gegen das schlanker Personen durch eine Stuhltransplantation auszutauschen.

US-Forscher konnten nachweisen, dass schlanke, »keimfreie« Mäuse ein Transplantat der Darmflora von schlanken beziehungsweise adipösen menschlichen Spendern annahmen. Die Mäuse blieben daraufhin entweder schlank. Oder sie entwickelten eine Adipositas.

 

Einfluss von Präbiotika auf Darmflora, Darmbakterien, das Abnehmen und das Körpergewicht

Weniger aufwendig, aber auch nicht so effektiv ist die Einnahme von Präbiotika. Dies sind nicht verdaubare Polysaccharide, beispielsweise Oligofructose, die offensichtlich das Bakterienspektrum positiv beeinflussen können.

Dazu ergab eine klinische Studie mit präadipösen Patienten, dass es nach zwölfwöchiger Einnahme von 21 g Oligofructose pro Tag zu einer leichten Gewichtsabnahme von 1,03 ± 0,43 kg kam.

In der Vergleichsgruppe, die statt der Oligofructose Placebo in Form von Maltodextrin erhielt, wurde eine mäßige Gewichtszunahme von 0,45 ± 0,31 kg beobachtet. Ferner besserten sich in der Präbiotika-Gruppe auch die Konzentrationen der appetitregulierenden Hormone Ghrelin und PYY.

 

Wie sich Probiotika auf Darmflora, Darmbakterien und Körpergewicht auswirken

Auch die Einnahme von Probiotika, also lebender Mikroorganismen, die eine Magenpassage überstehen und sich im Darm als Darmbakterien ansiedeln können, scheint positive Effekte auf den Body-Mass-Index das Abnehmen, auf das Ausmaß an viszeralem Fett und den Taillenumfang zu haben. Kanadische Wissenschaftler untersuchten den Einfluss einer Nahrungsergänzung mit Darmbakterien auf das Abnehmen von Körpergewicht bei 125 übergewichtigen Männern und Frauen.

Über zwölf Wochen hinweg hielten die Testpersonen eine Diät zur Gewichtsreduktion ein. Gefolgt von weiteren zwölf Wochen, in denen die Teilnehmer ihr Gewicht nach Möglichkeit halten sollten. Die Verum-Gruppe erhielt über die gesamte Studiendauer hinweg eine Nahrungsergänzung mit einem Lactobacillus rhamnosus-Probiotikum.

Die Frauen in der Probiotika-Gruppe nahmen während der ersten Phase durchschnittlich 4,4 Kilogramm ab, jene in der Placebo-Gruppe 2,6 Kilogramm. In der zweiten Phase konnten jene Frauen, die das Placebo-Präparat bekamen, ihr Gewicht halten.

In der Probiotika-Gruppe konnten die Frauen weiter abnehmen. Insgesamt belief sich der Gewichtsverlust mit Hilfe der Probiotika nach Ablauf der Studie auf durchschnittlich 5,2 Kilogramm – doppelt so viel wie mit Placebo. Darüber hinaus fanden irische Forscher heraus, dass ein gesundes Darm-Mikrobiom den Gallensäurenhaushalt reguliert. Dies senkt wiederum den Cholesterinspiegel, hemmt Entzündungen und verbessert die Fettverdauung, was sich positiv auf das Körpergewicht auswirkt.

 

Mit ausgewogener, maßvoller Ernährung und Bewegung schlank bleiben auch bei genetischer Vorbelastung

Da das Darmflora trotz genetischer Vorgaben und einer lang entwickelten Homöostase sehr schnell auf zugeführte Nahrung und folglich auch auf Nahrungsumstellung reagiert, können fettleibige Personen mittels ausgewogener, maßvoller Ernährung und ausreichend Bewegung gesund und schlank beziehungsweise moderat übergewichtig bleiben.


Literatur:

Dao MC, Clément K. Gut microbiota and obesity: Concepts relevant to clinical care. Eur J Intern Med. 2018 Feb;48:18-24. doi: 10.1016/j.ejim.2017.10.005. Epub 2017 Oct 27.

Torres-Fuentes C, Schellekens H, Dinan TG, Cryan JF. The microbiota-gut-brain axis in obesity. Lancet Gastroenterol Hepatol. 2017 Oct;2(10):747-756. doi: 10.1016/S2468-1253(17)30147-4. Epub 2017 Aug 24.

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