Donnerstag, März 28, 2024

Chlamydophila pneumoniae als Erreger bei KHK

Der Zusammenhang von Chlamydophila pneumoniae und koronarer Herzerkrankung erscheint nach erfolgreichen Studien mit Antibiotika wahrscheinlich.

Die Entstehung der koronaren Herz­erkrankung ist ein multifaktorielles ­Geschehen, in dessen Mittelpunkt die klassischen Risikofaktoren der Atherosklerose stehen. Neuer­dings werden auch entzündliche Prozesse an den Koronararterien als Reaktion auf bakterielle oder virale Infektionen als mitverursachend diskutiert. ­Insbesondere die sero-epidemiologische Assoziation von Chlamydophila pneumoniae und koronarer Herzerkrankung, der Nachweis von ­lebensfähigen Chlamydien in Plaques von Koro­nararterien und erste erfolgreiche Therapiestudien mit Makrolid-Antibiotika lassen eine mitverursachende Rolle dieses Keimes zumindest bei ­einem Teil der Patienten mit koronarer Herzerkrankung möglich erscheinen. Die ursächliche Therapie oder die Ver­hinderung der Entstehung der koronaren Herzerkrankung durch Antibiotika oder mit­tels Impfung stellen faszinierende Zukunftsperspektiven dar.

Bevor ein solcher Paradigmenwechsel in der Therapie der KHK jedoch vollzogen werden kann, müssen eine Vielzahl von Fragen (Art des Antibiotikums, Dauer einer Antibiotikabehandlung, welche Behandlungszielgruppe) in großen, prospektiven Langzeitstudien beantwortet werden. Bis zum Vorliegen dieser Antworten kann eine Antibiotika-Therapie von KHK Patienten unter kurativen oder präventiven Gesichtspunkten außerhalb von kontrollierten Studien nicht empfohlen werden.

Hypercholesterinämie, Diabetes mellitus, Nikotinkonsum und die arterielle Hypertonie stellen die klassischen, modifizierbaren Risikofaktoren in der Entstehung der korona­ren Herzerkrankung dar. Als neue Risikofaktoren ­wurden in den letzten Jahren unter ­anderem eine Erhöhung des Homo­cysteins,4 des Lp(a),13 des Fibrinogens,18 der Leuko­zyten18 und des C.-reaktiven Proteins (CRP)14 identifiziert. Insbesondere die Assozia­tion von erhöhten Entzündungsparametern (Leukozyten, Fibrinogen, CRP) und koronarer Herzerkrankung machen einen chronischen, entzündlichen Prozeß als ein pathogentisches Prinzip in der Atherogenese wahrscheinlich. ­Diese Hypothese der entzündlichen Mitverursachung der KHK wird durch patho-histologi­sche Studien weiter unterstützt, die zeigen, daß athero­sklerotische Plaques von aktivierten Entzündungszellen (Makrophagen) infiltriert sind.11 Vor dem Hintergrund der hohen entzündlichen Aktivität ist es naheliegend, an eine Infektion als Auslöser dieser Reaktion zu denken. Als mögliche Erreger gelten dabei das Cytomegalie-Virus (CMV), Helicobacter pylori und Chlamydophila pneumoniae (C.p.).2 Während die seroepidemio­logischen Daten zur Assoziation von CMV oder Helicobacter pylori Infektion und pri­märer koronarer Herzerkrankung spärlich und zum Teil widersprüchlich sind,2, 3 liegen eine Vielzahl von seroepidemiologischen und histologischen Daten zur Bedeutung von Chlamydophila pneumoniae in der ­Genese der KHK vor, die durch Ergebnisse antibiotischer Therapiestudien unterstützt werden.1

Sero-epidemiologische Studien

Bereits Ende der 80er Jahre konnte Saikku et al. zeigen, daß bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung signifikant häufiger erhöhte IgG und IgM Antikörper gegen C.p. als Zeichen ­einer chronischen Infektion mit diesem Erreger nachzuweisen war als in einer Kontrollgruppe17 (68% vs. 17%, p<0,005). Dementsprechend war das relative Risiko einer KHK bei Nachweis von spezifischen Antikörper-Titern um das ca. 2,5fache erhöht.16 Hielt man diesen Befund zunächst für Ausdruck einer regiona­len, auf Finnland beschränkten, Infektion, so zeigten Arbeiten unterschied­licher Arbeitsgruppen in unterschiedlichen Ländern in den folgenden Jahren, daß der Nachweis von C.p. spezifischen Antikörpern tatsächlich durchweg mit einem ca. 2fach erhöhten Risiko verbunden war, ein koronares Ereignis zu erleiden.1 Für Deutschland konnten wir zum Beispiel in einer eigenen prospektiven Arbeit zeigen, daß der Nachweis von C.p. Antikörpern der Klasse IgG mit einem 2,1fach erhöhten Risiko, der kombinierte Nachweis von IgG und IgA Antikörpern sogar mit einem 3,8fach erhöhten Risiko einer KHK assoziiert war.5

Patho-histologischer Nachweis von Chlamydophila pneumoniae

Der Nachweis von Chlamydophila pneumoniae spezifischen Antikörpern war zwar ein erster Hinweis auf eine mögliche Assoziation ­einer chronischen Chlamydophila pneumoniae Infektion mit der KHK, eine kausale Verknüpfung ge­stattet eine solche Assoziation jedoch nicht. Die Forschung der fol­genden Jahre konzentrierte sich daher unter der Vorstellung einer lokalen Infektion des Endothels durch Chlamydophila pneumoniae darauf, C.p.-DNS, Antigene oder Elementar­­körperchen in den atherosklerotischen Plaques nachzuweisen. Dies gelang in sehr unterschiedli­chem Ausmaß, was auf die unterschiedliche Sensitivität und Spezifität der ange­wandten Methoden zurückgeführt werden kann. Insgesamt zeigte sich jedoch, daß eine lokale Chlamydophila pneumoniae Infektion in 40% der atherosklerotischen Plaques, jedoch in nur 4% der Kontroll-Gewebeproben nachweisbar war.1 Erst kürzlich wurde gezeigt,12 daß in ca. 16% der Koronar-Plaques lebensfähige Chlamydien isoliert und in Kultur gehalten werden können, was von den Autoren als ­weiteres Argument für eine mögliche kausale Beziehung von Chlamydophila pneumoniae und KHK gewertet wurde.

Pathomechanismus

C.p. besitzt einige charakteristische Eigenschaften, die es befähigt über Jahre im Körper zu überleben. Chlamydophila pneumoniae wird mittels Tröpfcheninfektion übertragen, gelangt über die Atmung in die Lunge und kann dort Alveolarmakrophagen infizieren. Diese mi­grieren in die Blutbahn, während sich die ­Erreger intrazellulär in einem typischen Entwicklungskreislauf vermehren, an dessen Ende die Freisetzung sog. Elementarkörperchen steht, die wiederum andere Zellen infizieren können. Auf diese Weise können C.p. Elementarkörperchen Endothelzellen direkt infizieren, oder gelangen durch infizierte Makrophagen in atheromatöses Gewebe. Infizierte und da­mit aktivierte Makrophagen scheinen eine Schlüsselrolle in der Destabilisierung von Plaque-Gewebe zu spielen. Makrophagen können eine Reihe von Zytokinen produ­zieren,11 die ihrerseits den ­Entzündungsprozeß unterhalten und zum Beispiel die Produktion von CRP in der Leber steigern. Darüber hinaus produzieren Makropha­gen sog. Metalloproteinasen,9 die in der Lage sind Gewebe aufzulösen und damit die koronare Plaque destabilisieren (»instabile Plaque«), was letztlich zur instabilen An­gina pectoris oder zum Myokardinfarkt führen kann. Inwieweit auch eine Auto-Immun Antwort des Körpers auf bestimmte ­Proteine der Chlamydophila pneumoniae (sog Hitze-Schock-Proteine)9 oder die vermehrte Expression von intercellulären Adhäsionsmolekülen15 durch infizierte Endothelzellen eine Rolle in der Patho­genese der Atherosklerose der koronaren Herzerkrankung spielen, bedarf weiterer Untersuchungen. Diese Befunde zeigen jedoch, daß eine Chlamydophila pneumoniae Infektion eine Reihe komplexer Entzündungsreaktionen zur Folge hat, die mög­licherweise bei einigen ­Patienten tatsächlich die Entstehung der Atherosklerose initiieren oder ­zumindest deren Verlauf verschlechtern kann.

Antibiotika-Behandlung

Die besondere Attraktion der »Chlamydien-Hypothese« liegt natürlich darin, daß Chlamydophila pneumoniae ein Keim ist, der antibiotisch behandelt werden kann. Dabei muß berücksichtigt werden, daß die Elementarkörperchen selbst nicht, sondern nur die intrazellulären Formen in der Vermehrungsphase durch Antibiotika behandelbar sind, was die Auswahl der Antibiotika bestimmen muß. Der Einfluß einer Antibiotika-Therapie auf den Verlauf der koronaren Herzerkrankung ist aktuell Gegenstand weltweiter Forschung. Bislang wurde nur in zwei Pilot-Studien der Effekt einer Anti­biotikabehandlung auf den Verlauf der KHK untersucht.7, 8

In der Studie einer englischen Arbeitsgruppe wurden 80 Patienten mit positi­ven C.p. Titer 6 Monate nach Myokardinfarkt randomisiert entweder mit 500 mg Azi­thromycin/die für drei Tage oder sechs Tage oder mit Placebo behandelt.7 Im Laufe des Nachbeobachtungszeitraumes von 18 Monaten zeigte sich eine signifikante Re­duktion des Risikos kardialer Ereignisse von 25% auf 8%, die C.p. Antikörper-Titer fielen in der Verumgruppe häufiger unter 1/16 als in der Placebo-Gruppe (43% vs. 10%, p<0,02). In einer zweiten, größeren Studie (ROXIS-Studie) untersuchte Gurfinkel et al. 186 Patienten mit instabiler Angina oder akutem Myokardinfarkt. Die Patienten wurden unabhängig von ei­ner C.p. Serologie8 mit 2 x 150 mg/die Roxithromycin für bis zu 30 Tage ­behandelt. In dem Nachbeobachtungszeitraum von 1 Monat kam es zu einer signifikanten Reduktion der kombinierten, kardialen Ereignisse von 10% auf 1% (p<0,04). Kritisch anzumerken ist jedoch, daß in beiden Studien insgesamt nur 246 Patienten behandelt wurden, und daß in der größeren ROXIS-Studie erst die Kombination mehrerer klinischer Endpunkte (wiederauftretende Angina pectoris, akuter Myokardinfarkt, Tod), nicht aber die Analyse der einzelnen Endpunkte einen ­signifikanten Unterschied zwischen Placebo- und Verumgruppe erbrachte.

Die in diesen Studien eingesetzten Makrolide sind für die Behandlung der obligat in­trazellulären Chlamydophila pneumoniae besonders geeignet und in der Regel gut verträglich. Unter den verfügbaren neueren Makroliden (Roxithromycin, Azithromycin, Clarithromycin) scheint Azithromycin aufgrund der hohen intrazellulären Konzentration, der langen Halbwertszeit und der fehlenden Hemmung der hepatischen Cytochrome 3A4 Systems besonders für eine Langzeit-Therapie geeignet.6 Ob auch Clarithromycin, das in der Therapie der Helicobacter positiven Ulkuskrankheit etabliert ist, für eine Chlamydophila pneumoniae Therapie bei Patienten mit KHK geeignet ist, muß offen bleiben, da keine diesbezüglichen Studien vorliegen. Nicht unerheblich ist das breite Interaktionsmuster besonders von Roxithromycin und Clarithromycin mit Medikamenten, die von Patienten mit KHK ein­genommen werden: schwere, zum Teil tödliche Komplikationen durch Induktion von Herzrhythmusstörungen (Torsades de pointes) sind unter einer Makrolid Therapie beschrieben worden.10

Referenzen und Literatur

1 Danesh J., Appelby P., Persistent infection and vascular disease: a systematic overview. Exp Opi Invest Drugs; 7: 685–713; (1998)

2 Danesh J., Collins R., Peto R., Chronic Infections and coronary heart disease: is there a link? Lancet; 350: 430–436; (1997)

3 Danesh J., Peto R., Risk factors for coronary  heart disease and infection with Helicobacter pylori: meta-analysis of 18 studies. Br Med J; 16; (1998)

4 D’Angelo A., Selhub J., Homocysteine and thrombotic disease. Blood; 90: 1–11; (1997)

5 Diedrichs H., Schneider C. A., Scharkus S., Pfister H., Erdmann E., Prävalenz von Chlamydien Antikörpern bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung. Herz/Kreislauf; 29: 304–307; (1997)

6 Dunn C. J., Barradell L. B., Azithromycin. Drugs; 51: 483–505; (1996)

7 Gupta S., Leatham E. W., Carrington D., Mendall M. A., Kaski J. C., Camm J., Elevated chlamydia pneumoniae antibodies, cardiovascular events, and azithromycin in male survivors of myocardial infarction. Circulation; 96: 404–407; (1997)

8 Gurfinkel E., Bozovich G., Daroca A., Beck E., Mautner B., Group f.t.R.S. Randomised trial of roxithromycin in non-Q-wave coronary syndomes: Roxis pilot study. Lancet; 350: 404–407; (1997)

9 Kol A., Sukhova G. K., Lichtman A. H. Libby P., Chlamydial heat shock protein 60 localizes in human atheroma and regulates macrophage tumor necrosis factor-alpha and matrix metalloproteinase expression. Circulation; 98: 300–307; (1998)

10 Lee K. L., Jim M.-H., Tang S. C., Tai Y.-T. QT prolongation and torsades-de-pointes associated with clarithromycin. Am J Med; 104: 395–396; (1998)

11 Libby P., Geng Y. J., Aikawa M., Schoenbeck U., Mach F., Clinton S. K., Sukhova G. K., Lee R. T., Macrophages and atherosclerotic plaque stability. Current Opinions in Lipidology; 7: 330–335; (1996)

12 Maass M., Bartels C., Engel P. M., Mamat U., Sievers H.-H., Endovascular presensce of viable chlamydia pneumoniae is a common phenomenon in coronary artery disease. J Am Coll Cardiol; 31: 827–833; (1998)

13 Rhoads G., GH D., K B., Morton N., Danneberg A., Lp(a) lipoprotein as a risk factor for myocardial infarction. JAMA; 74: 758–762; (1986)

14 Ridker P. M., Cushman M., Stampfer M. J., Tracy R. P., Hennekens C. H., Inflammation, aspirin, and the risk of cardiovascular disease in apparently healthy men. N Engl J Med; 336: 973–979; (1997)

15 Ridker P. M., Hennekens C. H., Roitman-Johnson B., Stampfer M. J., Allen J., Plasma concentration of soluble intercellular adhesion molecule 1 and risks of future myocardial infarction in apparently healthy men. Lancet; 351: 88–92; (1998)

16 Saikku P., Leinonen M., Tenkanen L., Linnanmäki E., Ekman M.-R., Manninen V., Mänttäri M., Frick M. H., Huttunen J. K., Chronic chlamydia pneumoniae infection as a risk factor for coronary heart disease in the Helsinki heart study. Ann Intern Med; 116: 273–278; (1992)

17 Saikku P., Mattila K., Nieminen M. S., Huttunen J. K., Leinonen M., Ekman M.-R., Mäkelä P. H., Valtonen V., Serological evidence of an association of a novel chlamydia, TWAR, with chronic coronary heart disease. Lancet; ii: 983–986; (1988)

18 Yarnell J. W. G., Baker I. A., Sweetnam P. M., Bainton D., R O. B. J., Whitehead P. J., Elwood P. C., Fibrinogen, viscosity, and white blood cell count are major risk factors for ischemic heart disease. The Caerphilly and Speedwell collaborative heart disease studies. Circulation; 1991: 836–844; (1991)

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