Seit einigen Zeit stehen Nervenchirurgen künstliche Nervenleitschienen aus Chitosan zur Verfügung. Unlängst konnte die Methode deutlich verbessert werden.
Lücken zwischen durch Unfälle durchtrennte Nerven werden von Nervenchirurgen nach wie vor am öftesten mit körpereigenen Nerven überbrückt. Doch dadurch entstehen neue Nervenverletzungen, außerdem steht das körpereigenes Ersatzmaterial nur begrenzt zur Verfügung. Hier könnte Chitosan entstehende Lücken füllen.
Künstliche Nervenleitschienen aus Chitosan
Künstliche Nervenleitschienen aus Chitosan sind ein wichtige Innovation. Das Biopolymer ist ein natürlich vorkommendes Polyaminosaccharid und wird aus Chitin gewonnen. Der farblose, amorphe, zähe Stoff bietet verschiedene Anwendungsmöglichkeiten. Ein Einsatzgebiet ist die Medizinprodukte-Herstellung (Filter, Fasern oder Folien sowie auch Wundauflagen).
In der Pharmaindustrie wird intensiv an möglichen Anwendungen geforscht, beispielsweise für die Gentherapie. Seit kurzem steht Chitosan eben auch als innovative bioverträgliche Option zur Versorgung peripherer Nervenläsionen zur Verfügung.
BIOHYBRID Consortium
Bereits vor fünf Jahren ist es Forschern um Professorin Dr. Claudia Grothe, der Direktorin des Instituts für Neuroanatomie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), im europäischen Forscherteam BIOHYBRID Consortium gelungen, solche Schienen aus Chitosan herzustellen. Chitosan stammt wie erwähnt von Chitin ab, das vor allem aus Krabben, Krebsen und Garnelen (aber auch aus Insekten und Pilzen) gewonnen wird. Chitosan ist auf natürlichem Wege abbaubar und biologisch sehr gut verträglich.
Formstabile, chirurgisch leicht vernähbare Chitosanröhrchen
Für die Herstellung der Nervenleitschienen wird Chitosan so verändert, dass aus ihm formstabile, chirurgisch leicht vernähbare Röhrchen hergestellt werden können. Mit ihnen konnten im Tiermodell 10 bis 15 Millimeter lange Defektstrecken ähnlich erfolgreich überbrückt werden wie mit körpereigenen Implantaten. Seit Jänner 2014 ist das CE-zertifizierte Medizinprodukt erhältlich und für die klinische Anwendung zugelassen.
Chitosanröhrchen mit zwei Kammern für bessere Muskelfunktion
Professorin Dr. Kirsten Haastert-Talini wies mit dem europäischen Forscherteam tierexperimentell nach, dass Nerven besonders gut nachwachsen, wenn die Chitosanröhrchen in zwei Kammern geteilt worden sind. Die Wissenschaftler setzten einen durchlöcherten Chitosanfilm in Längsrichtung ein. „Dann wächst nicht nur ein Nervenstrang, sondern es wachsen zwei – und diese sind durch die Löcher über Blutgefäße miteinander verbunden. Mit dieser Methode konnten wir bei Überbrückung der kritischen Defektstrecke von 15 Millimetern eine bessere Muskelfunktion erreichen als mit einkammerigen Röhrchen“, sagt sie.
„Sobald sie für den Einsatz im Menschen vorliegen, werden diese weiterentwickelten Röhrchen sehr wahrscheinlich häufiger angewendet werden als die bisher verfügbaren einfachen Nervenleitschienen“, sagt Professorin Grothe. Die Chitosanröhrchen mit zwei Kammern sollen zukünftig auch bei Nervenverletzungen von Diabetikern angewendet werden können.
Quelle: Zeitschrift „Biomaterials“ – „Paper of the month“ der Anatomischen Gesellschaft (Ausgabe 12/2015).