Donnerstag, April 25, 2024

Wie Ballaststoffe funktionieren, um den Körper gut zu tun

Wie funktionieren Ballaststoffe? Sie unterstützen jedenfalls Blutfettwerte und Blutdruck, sie helfen auch beim Abnehmen und gegen Diabetes.

Fasern können auf verschiedene Arten wirken. Unter anderem durch Gel bildende Effekte im Magen und Dünndarm, durch Fermentation durch Dickdarmbakterien. Dabei können auch gleichzeitig andere Aspekte der Ernährung mitwirken. Die Wirkungen führen zu potenziell vorteilhaften Effekten im Magen-Darm-Trakt. Sie bringen aber auch zum Beispiel eine Senkung des Serumcholesterins und verbessern die Blutzuckerkontrolle und den Blutdruck. Jedenfalls vermutete man in einer ballaststoffreichen Ernährung eine Reihe von gesundheitlichen Vorteilen. Deswegen gelten heute gesunde Ballaststoffe als wichtigen Teil der Nahrung, der uns gegen zu hohe Blutfettwerte und zu hohem Blutdruck unterstützen kann, sowie beim Abnehmen und gegen Diabetes hilft. Aber wie funktionieren Ballaststoffe genau in unserem Körper?



 

Wie Ballaststoffe funktionieren

Das Konzept der Ballaststoffe ist komplex und beinhaltet die physischen und physiologischen Funktionen der Ballaststoffe. Zudem deren systemischen und lokalen Auswirkungen auf den Magen-Darm-Trakt.

Ballaststoffe lassen sich sinnvoll nach ihrer Löslichkeit und Fermentierbarkeit klassifizieren, was eine rationelle klinische Anwendung ermöglicht.

Früher wurden Ballaststoffe vor allem als Kohlenhydrate pflanzlichen Ursprungs definiert, die der enzymatischen Aufspaltung im Dünndarm entgehen. Und daher unverdaut den Dickdarm ­erreichen können.

Diese Erklärung ist allerdings nicht ­exakt, da malabsorbierte Stärke, die ja ebenfalls den Dickdarm erreicht, dann auch zu den Ballaststoffen zählen ­würde. Weiters ist der Ballaststoff Lignin kein Kohlenhydrat, sondern weist ein Phenylpropan-Grundgerüst auf.

Im Grunde genommen werden Ballaststoffe chemisch definiert als Nichtstärkepolysaccharide (NSP) plus Lignin, die in zwei große Gruppen unterschieden werden: die zellulosischen (z.B. Zellulose) sowie die nichtzellulosischen (z.B. Hemizellulose, Pektin, Schleimstoffe, Guar etc.). Eine weitere gängige Unterteilung der Ballaststoffe sieht die Unterscheidung in lösliche und ­unlösliche vor.



 

Unlösliche Ballaststoffe

Unlösliche Ballaststoffe wie Lignin, Zellulose und Hemi-Zellulose weisen hauptsächlich physikalische Effekte auf das Colon auf:. Sie tragen zur Füllung des Darms, damit zur Erhöhung des Stuhlvolumens, zur Verkürzung der Transitzeit sowie zur Verdünnung der präkarzinogenen sekundären Gallen­säuren und anderer toxischer, mutagener und karzinogener Substanzen bei.

Weiter schwächen sie postprandiale Blutglucose- und Insulinspitzen ab, verzögern die Resorption im Dünndarm und können den Serumcholesterinspiegel via Bindung der Gallensäuren sowie den Triglyceridspiegel senken.

Beim Kochen quellen unlösliche Ballaststoffe auf, dadurch wird deren Wasserlöslichkeit und bakterielle Spaltbarkeit sowie Verträglichkeit erhöht. Gleichzeitig werden durch den Kochvorgang (Erhitzen, Abkühlen, mechanische Beanspruchung) resistente Stärken, die ja auch unverdaut in den Darm gelangen, erst gebildet.



 

Lösliche Ballaststoffe

Im Gegensatz zu den unlöslichen werden lösliche Ballaststoffe wie Inulin, Pektine, Agar, Carrageen, Alginate, Pflanzenschleime und Pflanzengummis von der Dickdarmflora zu kurzkettigen Fettsäuren (short chain fatty acids, SCFA ’s) wie Acetat, Propionat und ­Butyrat fermentiert.

Das Ausmaß der Fermentierbarkeit von Ballaststoffen ist lediglich eine Funktion ihrer Wasserlöslichkeit. Während Zellulose in vivo nur zu 20 bis 35% abgebaut wird, wird Pektin rasch und vollständig fermentiert.

SCFA ’s senken naturgemäß den pH-Wert im Darm, stehen aber vor allem der Darm-Mukosa und der bakteriellen Flora als Energiesubstrat zur Verfügung. Tatsache ist, dass die Ernährung des Colonepithels zu einem nicht unbeträchtlichen Teil über das Lumen erfolgt.

Während insbesondere Butyrat dem Dickdarmepithel als Energiesubstrat dient und das Wachstum und die Differenzierung desselben forciert, stimuliert Propionat (via SuccinylCoA) lokal die Glycolyse, hemmt die Glukoneogenese sowie die Fettsäurebiosynthese.



 

Nur Acetat gelangt in größerem Ausmaß in die systemische Zirkulation. Und dort verstoffwechselt es der Organismus unter anderem in der Muskulatur. SCFA ’s fördern Wasser- und Natriumchloridrückresorption. Außerdem steigt die Calcium-, Magnesium- und Eisenresorption durch Verabreichung löslicher Ballaststoffe an. Nicht nur bei postmenopausalen Frauen kann man diese günstige Wirkung ausnützen.

Für diesen Effekt ist nicht die pH-Absenkung durch die aus den löslichen Ballaststoffen entstandenen SCFA ’s verantwortlich, wie früher vermutet. Mögliche Erklärungen für dieses Phänomen umfassen die ­Erhöhung der Oberfläche der resor­bierenden Mukosa, oder es existieren direkte Einflüsse auf den Transportmechanismus.

Weitere physiologische Effekte der SCFA ’s umfassen die schon beschriebene Erhöhung der Kolonozytenproliferation und des Blutflusses im Kolon, die Stimulation des autonomen Nervensystems sowie die Erhöhung der Produktion gastrointestinaler Hormone.

Lösliche Ballaststoffe als fermentierbare Substrate unterscheiden sich von einem Präbiotikum definitionsgemäß nur durch ihre mangelnde Spezifität, d.h., dass sie nicht nur Wachstum und Stoffwechselaktivität »günstiger«, sondern auch potenziell gesundheitsschädliche Keime fördern können.



 

Wichtige und nützliche Wirkung

Ballaststoffe sind nicht nur chemisch, sondern auch in ihrer physiologischen Wirkung eine äußerst heterogene Gruppe. Wenn lösliche Ballaststoffe den Darm erreichen und dort bakteriell gespalten werden, dann erhöht sich nicht nur die Wasserstoffkonzentration in der aus­geatmeten Luft. Hingegen kann man auch ­eine Verzögerung der Magenentleerung (d.h. Relaxierung des Magenfundus) beobachten. Nur Pektin wirkt gegenteilig.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Ballaststoffe im oberen Magen-Darm-Trakt eher verzögernd, im Dickdarm hingegen eher beschleunigend wirken. Ballaststoffe verlängern die Dauer der postprandialen Motilität, am stärksten ist dieser Effekt bei Guar.

Für lösliche Ballaststoffe, wie Guar, Inulin oder ­Oligofructose wird die Senkung des Plasmatriglyceridspiegels durch Hemmung der hepatischen Triglyceridsynthese, in geringerem Ausmaß auch die Senkung des Plasmacholesterin- und LDL-Spiegels, sowie die Verminderung der VLDL-Synthese und eine Reduktion des Hungergefühls diskutiert.

Diese Effekte werden aber erst in höherer Dosierung beobachtet, bei der das Auftreten von gastrointestinalen Nebenwirkungen bereits möglich bis wahrscheinlich ist.

Bei insulinpflichtigen wie auch ­nicht-insulinpflichtigen Diabetikern zeigten sich günstige Effekte auf die postprandiale Glukosetoleranz, die Plasmalipidspiegel, die nüchtern-Blutglucosespiegel sowie auf das HbA1c.

Wissenschaftler warnen dennoch vor überhöhten Erwartungen in Bezug auf die Ballaststoffaufnahme. Bei chronischer Obstipation mit einer Transitzeit von über 100 Stunden kann man jedenfalls durch die Ballaststoffzufuhr allein nur selten eine Beschwerdefreiheit erreichen. Die D-A-CH-Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr empfehlen die Aufnahme von 30 g Ballaststoffen pro Tag.



 

Enterale Nahrungen

Betont wird, dass jede Sondennahrung lösliche Ballaststoffe enthalten soll, auch kritisch kranke Patienten profitieren in vielen Fällen von diesen Inhaltsstoffen. Anwendungsbeispiele, wie Ballaststoffe effektiv für den Körper funktionieren, sind Trink- und Sondennahrung für die Langzeiternährung in der Geriatrie und Onkologie. Diese wirken gegen Immobilität, bei Obstipation, Diarrhoe, Diabetes und Leberzirrhose.

In Studien konnte man Effekte auf die Darmflora bereits nach einer Woche beobachten. Als mögliche Nebenwirkung bei der Verabreichung löslicher Ballaststoffe wurde lediglich die Gasbildung (CO2, H2) und die damit verbundenen Effekte wie ­Flatulenz und Blähungen als Folgen der Fermentation genannt.


Literatur:

James SL, Muir JG, Curtis SL, Gibson PR. Dietary fibre: a roughage guide. Intern Med J. 2003 Jul;33(7):291-6.


Quelle: Balaststoffe im Blickpunkt. MEDMIX 5/2008.

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