Freitag, April 19, 2024

Big Data in der Augenheilkunde

Die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft hat im Vorjahr damit begonnen, ein umfassendes Register für die Augenheilkunde aufzubauen.

Mit deutlichem Nachholbedarf – im Vergleich zu anderen Sparten – beginnt derzeit im deutschen Gesundheitswesen die Transformation zur Digitalisierung. Papierlose Patientenakten in Praxen und Kliniken sowie neue Bildgebungsverfahren in der Augenheilkunde kreieren immer größere Datenmengen. Unter dem Begriff „eHealth“ beginnen moderne Kommunikations- und Informationstechnologien eine Vernetzung zwischen Praxen, Krankenhäusern und weiteren Einrichtungen im Gesundheitssystem. Bisher ist es in der deutschen Augenheilkunde nicht gelungen, diese großen Datenmengen mit unterschiedlichen Informationen zusammenzuführen. So ist es bis dato nicht einmal möglich, die genaue Anzahl ambulant durchgeführter Operationen in der Augenheilkunde zu betiteln, geschweige denn Informationen über Therapiepfade zusammenzutragen oder Diagnosen auszuwerten. In Phase-4-Studien erhobene Real-Life-Daten zeigen, dass Therapieergebnisse häufig von denen randomisierter klinischer Studien abweichen. Eine Zusammenführung der im Gesundheitswesen generierten Daten in einem zentralen Register würde somit einen unermesslichen Reichtum an Daten für die Versorgungsforschung zur Verfügung stellen. Jedoch auch im Punkt Qualitätssicherung wird ein solches Register helfen, die Patientensicherheit zu verbessern. Algorithmen künstlicher Intelligenz (KI) wie das Deep Learning können in Zukunft bei der Auswertung großer Datenmengen helfen. 2014 wurde in den USA ein Register für Augenheilkunde (Intelligent Research Inside, IRIS Registry) aufgesetzt, an dem sich heute über 13 000 Augenärzte in den USA beteiligen und ihre Daten einspeisen. Über 150 Millionen Patientenkontakte sind darin erfasst. In einer der ersten Auswertungen wurden Daten zur Endophthalmitis-Rate nach Katarakt- Operationen ausgewertet. Während die Gesamtrate der Entzündungen nach Kataraktoperationen mit 0,08 Prozent angegeben wurde, stieg die Rate auf 0,33 Prozent, wenn sich die Operation komplizierter gestaltete (anteriore Vitrektomie).

Die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft hat im November letzten Jahres damit begonnen, ein umfassendes Register für Augenheilkunde aufzubauen. Geplant ist es, Daten aus allen Praxen und Kliniken, ambulant und stationär, pseudonymisiert zusammenzubringen und für Versorgungsforschung und Qualitätssicherung zu nutzen. Wir leben in einer alternden Gesellschaft. Bereits jetzt sind 18 Millionen Menschen in Deutschland von Augenleiden betroffen, die Zahl wird sich bis zum Jahr 2030 um 50 Prozent erhöhen. Um das Augenlicht bis ins hohe Alter zu erhalten, sind eine bessere Vernetzung und Auswertung einzelner Krankheitsverläufe sehr hilfreich.

Big Data und künstliche Intelligenz wie etwa in Decision-Support- Systemen helfen uns, aus einer Vielzahl von gesammelten Daten Rückschlüsse auf Biomarker zu ziehen und die Therapie individuell anzupassen. Digitalisierung und Vernetzung können Ärzten und Patienten das Leben erleichtern. Ein qualitativ guter und sicherer Datenaustausch zwischen zuweisenden und behandelnden Zentren sowie telemedizinische Möglichkeiten können weite Wege für Patienten und Doppeluntersuchungen verhindern. Auch der Patient generiert durch Nutzung von Gesundheits-Apps und Smart Health Data eine immer größere Datenmenge, die in der Gesundheitsprävention eine Rolle spielen könnten. Diese zum Teil unter dem Begriff „Lifestyle-Data“ generierten Daten könnten die Krankenaktendaten wertvoll ergänzen.

Literaturverzeichnis:

1. Big Data Management for Healthcare Systems: Architecture, Requirements, and Implementation; El Aboudi N, Benhlima L; Adv Bioinformatics. 2018 Jun 21;2018:4059018.

2. How Big Data Informs Us About Cataract Surgery: The LXXII Edward Jackson Memorial Lecture; Coleman AL; Am J Ophthalmol. 2015 Dec;160(6):1091-1103.

3. The American Academy of Ophthalmology’s IRIS® Registry (Intelligent Research in Sight Clinical Data): A Look Back and a Look to the Future. Parke DW II, Rich WL III, Sommer A, Lum F. Ophthalmology. 2017 Nov;124(11):1572-1574.


Quelle:

Statement »Früher, effektiver, sicherer – Wie Big Data die Augenheilkunde in Therapie und Forschung voranbringen können« – Professor Dr. med. Nicole Eter, Präsidentin der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG); Direktorin der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Münster zum 116. Kongresses der DOG, September 2018, Berlin

Related Articles

Aktuell

Zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom kultivieren

Wichtig zur Klärung der Metastasierung: Forscher gelang es, zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom zu kultivieren. Die Forschung zum kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC), einer besonders aggressiven Form...
- Advertisement -

Latest Articles

Individuelle Beratung zur Ernährung für Krebspatienten

Beratung zur Ernährung für Krebspatienten: Verbesserung der Lebensqualität durch individuelle ernährungsmedizinische Unterstützung. Eine rechtzeitige und individuell angepasste Beratung zur Ernährung kann wesentlich zur Verbesserung der...

Warum HIV trotz Kombinationstherapie höchst aktiv sind

Neue Herausforderungen in der HIV-Behandlung sind, dass aktive HI-Viren trotz Kombinationstherapie weiterhin aktiv bleiben. Die HIV-Kombinationstherapie, eingeführt in den 1990er Jahren, gilt als Meilenstein in...

Partnerschaft mit Diabetes-Patienten: auch die Partner profitieren von Einbeziehung

Den Partner in die Diabetes-Behandlung zu integrieren, verbessert die Partnerschaft und das gemeinsame Wohlbefinden. Diabetes Typ-2 stellt nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für...