Samstag, April 20, 2024

Anhock-Spreizstellung für eine gesunde Babyhüfte

Eltern, die ihre Kleinsten richtig tragen – in einer Anhock-Spreizstellung –, fördern so die gesunde Entwicklung der Babyhüfte.

Wer seine Babys in einer Anhock-Spreizstellung richtig trägt, kann damit die gesunde Ausbildung der Babyhüfte fördern. Eltern tragen ihre Babys gerne am Körper, um ihnen ein Gefühl von Geborgenheit zu vermitteln.  Dabei werden die Beine des Säuglings auseinandergespreizt und die Knie befinden sich angewinkelt auf Nabelhöhe. Diese Anhock-Spreizstellung der Hüften entspricht auch der natürlichen Stellung im Mutterleib. Die Oberschenkelknochen wirken in dieser Haltung mit ihren Hüftköpfen optimal auf die Hüftpfannen ein. Richtig gebundene Tragetücher und ausgewählte Tragehilfen unterstützen diese hüftfreundliche Haltung.

 

Anhock-Spreizstellung präventiv gegen Hüftdysplasie

Nach der Geburt ist die Babyhüfte noch nicht fertig, sondern großenteils nur knorpelig vorgebildet. Sie ist deshalb in den ersten sechs Lebensmonaten sehr empfindlich. Bis zum Laufbeginn mit 18 Monaten ist sie sehr formbar. Bildet sich die Hüfte nicht richtig aus, dann liegt eine sogenannte Hüftdysplasie vor: Hüftkopf und -pfanne passen nicht optimal zusammen. Dabei wird der Hüftkopf nur zum Teil von der Pfanne überdacht – und nicht wie normalerweise in seiner gesamten Breite. In seltenen Fällen ist die Pfanne so schlecht entwickelt, dass sie den Hüftkopf nicht halten kann. Es kommt zur sogenannten Hüftluxation: Die Hüfte renkt aus.

Das Tragen der Kinder in der Anhock-Spreizstellung unterstützt die ordentliche Ausreifung der empfindlichen Babyhüfte. Umgekehrt kann das Tragen in Streckstellung mit zusammengedrückten Beinen die Hüftentwicklung verzögern und schaden. „Bei gestreckten Oberschenkeln wird die Pfanne an ihrer empfindlichsten und schwächsten Stelle belastet. Der knorpelige Anteil der unreifen Pfanne gibt nach. Sie wird verformt und dysplastisch“, sagt Professor Robert Rödl, 1. Vorsitzender der DGOU-Sektion „Vereinigung für Kinderorthopädie“ und Chefarzt der Abteilung für Kinderorthopädie, Deformitätenrekonstruktion und Fußchirurgie am Universitätsklinikum Münster.

 

Hüftdysplasie erkennen

Deshalb muss die Entwicklung der Hüfte unbedingt beobachtet werden. Entscheidend sind die rechtzeitigen U-Untersuchungen des „Gelben Heftes“. Dabei werden die Hüften von Kindern mit Risikofaktoren bereits bei der U2 innerhalb des dritten bis zehnten Lebenstages schonend mit Ultraschall untersucht. Alle anderen Kinder erhalten den Hüft-Ultraschall bei der U3 in der vierten bis fünften Lebenswoche. „Das Hüftultraschall-Screening ist ein wahrer Segen. Früher waren viel mehr Operationen nötig, weil man die entscheidende Phase verpasst hat“, sagt Rödl.

Die Hüftsonographie zeigt an, ob eine Therapie nötig ist, bevor unwiederbringliche Schäden entstanden sind. „Je früher wir Schäden erkennen, umso kürzer und schonender ist die Therapie“, betont Rödl. Bei einer rechtzeitig erkannten Hüftdysplasie erfolgt die Therapie konservativ, also nicht-operativ: Die Stellung der Oberschenkel in Anhock-Spreizstellung wird dabei für die gute Pfannenausbildung der Hüfte genutzt. Das Tragetuch reicht dann aber nicht mehr aus – es kommen Schienen und Gipshosen zur Anwendung, die 24 Stunden am Tag wirken.

Dysplastische Hüften, die erst nach dem zweiten Lebensjahr erkannt werden, können nur noch durch eine Beckenoperation korrigiert werden. Selbst bei älteren Jugendlichen und jungen Erwachsenen kann noch am Becken korrigiert werden, aber die Operation ist dann aufwändiger. Wird die Hüftdysplasie nicht korrigiert, führt dies zu vorzeitigem Verschleiß. Dann kann auch schon in jungen Jahren der Ersatz durch ein neues Hüftgelenk nötig werden. Dies wird durch eine frühe Erkennung und sofortige schonende Therapie – am besten direkt nach der Geburt – spätestens im Rahmen der  Vorsorgeuntersuchungen U2 beziehungsweise U3 verhindert.

Hintergrund:
Etwa zwei bis vier von hundert Kindern kommen mit behandlungsbedürftigen Reifungsstörungen an der Hüfte auf die Welt. Mittels Ultraschall erkennen Orthopäden und Unfallchirurgen die Hüftdysplasie unmittelbar nach der Geburt und können sie frühzeitig ambulant behandeln. Seit 1996 ist das Diagnoseverfahren fester Bestandteil der U2- und U3-Untersuchung. Dass Hüftreifungsstörungen heutzutage früh entdeckt und behandelt werden, wird in Zukunft zu einer deutlichen Reduzierung von Hüftendoprothesen bei Patienten unter 50 Jahren führen. Denn derzeit werden mindestens 15 Prozent infolge unbehandelter Hüftdysplasien eingesetzt. Die Einführung der Ultraschalluntersuchung der Säuglingshüfte trägt wesentlich zur Verbesserung der kinderorthopädischen Gesundheitsvorsorge bei.


Weitere Informationen: www.dgou.de

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