Freitag, März 29, 2024

ADHS-Diagnose häufiger bei den Jüngsten in der Klasse

Kinder, die mit sechs Jahren die Jüngsten in ihrer Klasse sind, bekommen häufiger eine ADHS-Diagnose und entsprechende Medikamente als ältere Klassenkameraden.

Wenige Wochen oder Tage zwischen Geburtstag und Stichtag können gravierende Konsequenzen haben: Kinder die im Monat vor dem Stichtag geboren wurden und daher bei der Einschulung sehr jung sind, erhalten häufiger einer ADHS-Diagnose als jene Kinder, die im Monat nach diesem Stichtag geboren wurden und daher bei der Einschulung beinahe ein Jahr älter sind als die Jüngsten. Ergebnisse einer Studie von Wissenschaftlern vom Versorgungsatlas des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Zusammenarbeit mit Forschern der Ludwig-Maximilians-Universität München zeigten einen robusten Zusammenhang zwischen der ADHS-Diagnose- und Medikationshäufigkeit und der durch den Geburtsmonat bestimmten relativen Altersposition von Kindern in der Klasse.

Für die zitierte Studie haben die Forscher bundesweite und kassenübergreifende ärztliche Abrechnungs- und Arzneiverordnungsdaten von rund sieben Millionen Kindern und Jugendlichen zwischen vier und 14 Jahren aus den Jahren 2008 bis 2011 analysiert. Resultat: Von den jüngeren Kindern, die im Monat vor dem Stichtag geboren sind, erhielten im Schnitt im Laufe der nächsten Jahre 5,3 Prozent eine ADHS-Diagnose, bei den älteren Kindern, die im Monat nach dem Stichtag geboren, lag der Prozentsatz bei 4,3 Prozent. Generell stellten Ärzte die Diagnose bei Jungen häufiger als bei Mädchen.

Warum die jüngeren Kinder eines Klassenverbandes mit einer höheren Wahrscheinlichkeit eine ADHS-Diagnose erhalten als ihre älteren Klassenkameraden, konnte nicht geklärt werden. Die Forscher vermuten, dass das Verhalten jüngerer – und damit oft unreiferer – Kinder in einer Klasse mit dem der älteren Kinder verglichen wird. Dann wird deutlich, dass Impulsivität, Hyperaktivität und Unaufmerksamkeit bei den jüngeren ausgeprägter sind – die Wahrscheinlichkeit einer ADHS-Diagnose steigt, weil das Verhalten im Vergleich zu jenem der älteren Kinder möglicherweise als ADHS interpretiert wird.

 

Der Einfluss des schulischen Umfelds und der Familiensituation.

Die Studie zeigte auch die Auswirkungen des schulischen Umfelds und der Familiensituation auf die Häufigkeit einer ADHS-Diagnose. Bei größeren Klassen und einem höheren Anteil ausländischer Schüler – was die Unterrichtsbedingungen wahrscheinlich erschwert – ist der Zusammenhang zwischen relativem Alter und ADHS stärker. Auch ein höherer Bildungshintergrund der Eltern verstärkt den Alterseffekt. Hier vermuten die Wissenschaftler, dass Eltern mit einem höheren Bildungsgrad mehr auf die Förderung ihrer Kinder achten und daher weniger bereit sind, Nachteile in Kauf zu nehmen, die durch die relative Unreife ihrer Kinder entstehen könnten. Diese Faktoren sind mögliche Ursachen für die regionalen Unterschiede auf der Kreisebene, welche die Forscher ebenfalls gefunden haben.

 

Einschulungspolitik verändern

Die traditionelle Einschulungspolitik, bei der die Schulpflicht an gegebene Stichtage geknüpft wird, beeinflusst offensichtlich die Diagnosehäufigkeit psychischer Erkrankungen bei Kindern. Kinder, die quasi gleich alt sind, haben aufgrund der Einschulungspolitik ein unterschiedlich hohes Risiko, eine ADHS-Diagnose zu bekommen, warnen die Forscher. Da eine solche Diagnose stigmatisierend sein kann und die medikamentöse Therapie von ADHS starke Nebenwirkungen haben kann, sollten die neuen Erkenntnisse sowohl von der Politik als auch von den Ärzten bei der Diagnosestellung beachtet werden. Die Forscher empfehlen, in zukünftigen Studien zu untersuchen, ob und welche Änderungen in der Einschulungspolitik, etwa eine flexible Schuleingangsphase, den Zusammenhang zwischen relativem Alter in der Klasse und ADHS abmildern kann.

Quelle: Pressestelle des Versorgungsatlas http://www.versorgungsatlas.de

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